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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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bringen mussten. Sie hatte hohes Fieber und redete unsinnig vor sich hin. Die Freunde, die unentwegt an ihrem Krankenbett wachten, schien sie in ihrem Delirium gar nicht mehr zu erkennen. Zuweilen stieß sie panische Schreie aus und schlug wild um sich, die meiste Zeit aber dämmerte sie nur apathisch vor sich hin.
    Als auch am dritten Tag noch keine Besserung eingetreten war und die Kranke nach wie vor keine Nahrung bei sich behielt, erklärte der neu berufene Spitalsarzt Doktor Schütz den besorgten Besuchern, dass man mit dem Schlimmsten rechnen müsse. Der geschwächte und ausgemergelte Körper der jungen Frau sei der Belastung des hohen Fiebers nicht mehr lange gewachsen. Florian und Anna, die sich an ihrem Krankenlager abwechselten, weinten bittere Tränen.
    An einem der Tage, als Katharinas Leben nur noch an einem seidenen Faden hing und Florian wieder einmal kummervoll an ihrem Bett saß und ihre Hand hielt, trat Doktor Schütz neben ihn. Er klopfte dem jungen Maler väterlich auf die Schulter und bemerkte milde:
    »Recht so, junger Freund. Wenn die ärztliche Kunst schon längst versagt hat, kann die Liebe noch wahre Wunder bewirken. Sie ist und bleibt das beste Heilmittel.«
    Florian lächelte den erfahrenen Arzt dankbar an. Sobald er wieder mit Katharina allein war, küsste er ihr zärtlich Hände und Wangen und flüsterte ihr ins Ohr, wie sehr er sie liebe.
    Am Morgen des vierten Tages ging es Katharina so schlecht, dass der Arzt schon einen Priester bestellen ließ, um der Sterbenden den letzten Segen zu spenden. Die Kranke gab nur noch röchelnde Atemzüge von sich.
    Florian war fassungslos vor Leid. Die schreckliche Gewissheit, Katharina nun doch zu verlieren, hatte ihn jeglicher Lebenskraft beraubt. Er kauerte neben dem Bett der Todgeweihten, presste schluchzend sein Gesicht in das Laken und umklammerte ihre Hand. Immer wieder stammelte er in tiefster Verzweiflung: »Katharina, du darfst nicht sterben! Bleib doch bei mir!«
    Auch Anna war untröstlich darüber, von der geliebten Freundin Abschied nehmen zu müssen. Sie saß an der anderen Seite des Bettes und streichelte unentwegt Katharinas Hand, während sich ihr von Zeit zu Zeit ein klägliches Wimmern entrang. Der alte Jockel, der darauf bestanden hatte, sie zu begleiten, stand mit ergriffener Miene hinter ihr und hatte ihr mitfühlend die Hand auf die Schulter gelegt.
    Plötzlich ging die Tür auf, und die Hurenkönigin trat ins Zimmer. Als sie die Sterbende erblickte und die tiefe Trauer der Menschen, die sie liebten, wahrnahm, strömten ihr Tränen über die geschminkten Wangen. Sachte trat sie ans Bett und strich Florian liebevoll über den Kopf. »Mein armer Junge«, murmelte sie leise, beugte sich zu der Kranken hinunter und küsste ihr die Stirn.
    »Kind, das kannst du uns doch nicht antun! Jetzt, wo wir dich endlich wiederhaben, willst du dich einfach so davonstehlen«, schimpfte sie streng.
    Gerade als Pfarrer Juch erschien, um Katharina die letzte Ölung zu erteilen, schlug diese plötzlich die Augen auf und verlangte mit schwacher Stimme nach Wasser.
    Die Menschen an ihrem Sterbebett starrten sie an.
    »Die ist dem Tod von der Schippe gesprungen«, murmelte Doktor Schütz, während er Katharina behutsam den Kopf stützte und ihr Wasser einflößte.
    *
    Am Abend war das Fieber bereits gefallen, und Katharina hatte die kräftige Hühnerbrühe, die Anna ihr gebracht hatte, bei sich behalten.
    Als Katharina am Nachmittag darauf erwachte, waren ihre Augen klar. Sie ergriff die Hand von Anna, die still an ihrem Bett gesessen hatte, und murmelte unvermittelt: »Du hast mir das Leben gerettet. Dafür werde ich dir ewig dankbar sein. Wenn du nicht mit der Armbrust auf ihn geschossen hättest, wäre ich vermutlich tot.«
    »Du hast dich selbst wacker geschlagen, Katharina, und hättest es sicher auch ohne meine Hilfe geschafft«, erwiderte Anna bescheiden. »Ich bin so froh, dass ich dich wiederhabe!« In ihrem Blick stand die ganze Liebe, die sie für die Freundin empfand.
    »Ich weiß«, flüsterte Katharina unter Tränen. »Du wirst immer einen festen Platz in meinem Herzen haben.«
    Anna verstand und gab sich alle Mühe, sich ihre Traurigkeit nicht anmerken zu lassen.
    Als am Abend Florian aus der Werkstatt kam, konnte sich Katharina bereits in ihrem Bett aufrichten. Ausführlich berichtete sie den Freunden, was sich im Hause des Henkers zugetragen hatte, erzählte von den entsetzlichen Geheimnissen der Todesbruderschaft und von Reinfrieds
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