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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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sie ja übersehen.« Er streifte mit der Fackel in der Hand durch das Gewölbe und konnte im Halbdunkel an der Wand einen Schatten ausmachen, der wie ein liegender Körper aussah.
    »Da hinten ist ein Strohsack«, stieß er hervor. »Ich glaube, da liegt noch jemand.«
    Während er sich der Stelle näherte, wurde ihm mit einem Mal bewusst, wie sehr er sich die ganze Zeit über davor gefürchtet hatte, unter den Toten Katharina zu entdecken. Zu seiner großen Erleichterung erkannte er jedoch gleich darauf, dass er sich getäuscht hatte: Auf dem Strohsack befand sich lediglich ein dunkles Wolltuch. Er ergriff vorsichtig einen Zipfel und zog es zur Seite, um sicherzugehen, dass dort wirklich niemand lag. Im nächsten Augenblick erstarrte er zur Salzsäule.
    Anna trat zu ihm. »Was ist denn da?«
    Anstelle einer Antwort drückte Florian den wollenen Umhang an die Brust und vergrub sein Gesicht darin.
    »Das ist Katharinas braunes Schultertuch«, stammelte er. »Ich kenne es, sie hat es häufig getragen, wenn es kalt war … Es riecht nach ihr.«
    »Dann war sie also hier …«, stellte Anna sachlich fest.
    Florian stöhnte auf. »Sie war hier, und jetzt ist sie verschwunden! Zwei Leute fehlen … Katharina und … Stefenelli! Wir müssen ihr zur Hilfe eilen!« Er stürzte in wilder Entschlossenheit zur Tür.
    »Warte, ich komme mit«, rief Anna atemlos, riss eine Fackel aus der Wandhalterung und rannte ihm hinterher. Als sie durch den Durchgang eilte, fiel ihr Blick unversehens auf eine Holztür am Ende des Ganges.
    »Warte, hier ist noch eine Tür!« Anna betätigte die Klinke, und die Tür öffnete sich knarrend nach außen. Anna und Florian, der sofort herbeigeeilt war, wehten eisige Schneekristalle ins Gesicht.
    *
    Während Katharina durch das wilde Schneetreiben und die hohen Schneeverwehungen stapfte, wurden ihre Schritte zunächst beflügelt von dem erhabenen Gedanken, endlich wieder frei zu sein und den Ort des Grauens hinter sich zu lassen.
    Der Schnee peitschte ihr in das wunde, verquollene Gesicht. Immer wieder strauchelte sie oder blieb im tiefen Schnee stecken, mehrfach glitt sie aus und fiel der Länge nach hin. Stand wieder auf und eilte weiter. An der Nasenwurzel spürte sie einen pochenden Schmerz, und ihre aufgeplatzten Lippen brannten wie Feuer. Aber es war egal, nur weiter, weiter!
    Nach einer Weile überkam sie zunehmend das beklemmende Gefühl, dass ihr jemand auf den Fersen war. Schwelende Furcht saß ihr im Nacken, und auf ihren schmächtigen Schultern lastete ein übermächtiger Alp. Und bald rannte sie nicht nur gegen den Sturm an, sondern auch gegen ihre bösen Ahnungen. Nichts auf dem Leib als die fadenscheinige schwarze Leinenkutte, die mittlerweile völlig durchnässt war und an ihrem abgemagerten Körper klebte, schlotterte sie so stark, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen.
    Ich habe ihn doch eingeschlossen … Er sitzt dort unten im Keller fest und kann nicht raus , suchte sie ihre Panik in Schach zu halten. Aber sie kam nicht dagegen an.
    Und dann kam es ihr auf einmal so vor, als hörte sie Schritte hinter sich, die durch den Schnee knirschten. Aber der Sturm toste laut, und Katharina mahnte sich zur Ruhe. Vielleicht war es ja auch nur ein Tier, ein aufgescheuchtes Reh oder ein streunender Hund.
    Sie wagte nicht, sich umzudrehen.
    *
    Reinfried kam langsam wieder zu sich und verspürte rasenden Zorn. Sein Auge und die Stirn schmerzten höllisch, vorsichtig tastete er die Stellen ab. Das Lid war geschwollen, und an der Braue und am Jochbein befanden sich tiefe Schnitte, die stark bluteten. Das meiste Blut schien aber von einer größeren Wunde an der Stirn zu kommen. Er riss ein Stück Stoff aus seinem weiten Ärmel und tupfte sich das Blut ab, das ihm über das Gesicht strömte.
    »Dieses verdammte Miststück!«, fluchte er, als er entdeckte, dass Katharina entkommen war. »Die hol ich mir!«
    Vielleicht war sie ja noch im Haus und kam nicht hinaus, weil Meister Hans alle Fenster und Türen verbarrikadiert hatte. Er verzog den schmallippigen Mund zu einem hämischen Grinsen, stemmte sich aus dem Stuhl hoch und wankte zur Tür. Alles drehte sich um ihn, kurz wurde es ihm sogar schwarz vor Augen. Doch sein Zorn war stärker.
    Die Tür war natürlich verschlossen. So blöd war das Luder nicht. Im Gegenteil: Sie hatte ihn aufs Übelste vorgeführt. Dafür werde ich sie aufschlitzen!
    Just in diesem Moment war von oben ein lautes Klopfen und Poltern zu vernehmen. Das Aas versucht
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