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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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ausgezeichnete Schützin.
    Als sie beide unten standen, deutete sie auf den langen Gang und flüsterte: »Lass uns da mal nachschauen.« Mit der erhobenen Fackel gingen sie auf den schwachen Lichtschein zu. Sie kamen an einer Tür aus rostigen Eisenstäben vorbei, hinter der sich ein schlauchartiges Verlies mit Ketten und einem Halseisen, die in die Felswand eingelassen waren, befand. Beide schauderte es bei dem Anblick.
    »Der Kerker für die Todeskandidaten«, zischte Florian und ging weiter, während sich Anna dicht hinter ihm hielt. Sie näherten sich der Lichtquelle und sahen schon beim Herankommen die weit geöffnete Kerkertür. Als sie in den weiten, gewölbeartigen Raum spähten, der durch das flackernde Licht der Pechfackeln in den Wandhalterungen gespenstisch anmutete, stockte ihnen der Atem.
    »Was ist denn das für ein Gestank? Das ist ja ekelhaft …«, schnaubte Anna angewidert und stieß gleich darauf mit der Fußspitze gegen etwas Weiches. Unwillkürlich entrang sich ihr ein spitzer Schrei, als sie mit Entsetzen wahrnahm, dass es sich dabei um einen menschlichen Körper handelte.
    Auch Florian stöhnte auf. »Da sind noch mehr«, murmelte er bestürzt und richtete den Schein der Fackel auf den Boden. Die verkrümmten Körper, die im Halbkreis um einen langgezogenen Tisch lagen, waren alle in lange schwarze Kutten gewandet. Einigen waren die weiten Kapuzen von den Köpfen gerutscht, und man sah ihre verzerrten Gesichter mit den starren, schreckensgeweiteten Augen.
    »Ich glaube, die sind alle tot«, stieß Anna keuchend hervor und rang mit aller Kraft um Fassung. Mach jetzt bloß nicht schlapp, ermahnte sie sich streng, denn sie war nahe daran, in Ohnmacht zu fallen.
    Entschlossen richtete sie sich auf. »Aber lass uns nachsehen, vielleicht ist ja noch jemand am Leben«, flüsterte sie mit brüchiger Stimme, beugte sich zu einer der Gestalten hinab und berührte mit zitternden Fingern die Halsschlagader. »Das ist eine Frau. Ich kenne sie irgendwoher.« Anna wich entsetzt zurück. »Das ist die Frau des Henkers. Sie betreibt immer einen Verkaufsstand auf der Messe«, murmelte sie tonlos. »Das Herz scheint nicht mehr zu schlagen, aber sie kann noch nicht lange tot sein, denn sie fühlt sich noch ganz warm an.«
    Florian, der ächzend die Gestalt daneben auf den Rücken gedreht hatte, um den Puls zu ertasten, hielt inne, als habe ihn der Schlag getroffen, und zog erschrocken seine Hand zurück. »Das ist Meister Hans! Der ist ja ganz blau im Gesicht. Sieht aus, als wäre er erstickt.«
    »Die Henkersfrau ist auch bläulich angelaufen und hat gelblichen Schaum vor dem Mund. Ich glaube fast, die sind vergiftet worden.« Anna hatte sich erhoben und stützte sich schwankend auf die Lehne eines Stuhls. Sie war aschfahl geworden.
    »Komm, setz dich hin, und atme erst mal tief durch«, sagte Florian und schob sie fürsorglich auf einen der Stühle. Anna ließ sich entkräftet darauf nieder und fuhr im nächsten Augenblick ruckartig in die Höhe. »Da ist etwas Spitzes drauf!«
    Auf der Sitzfläche des Stuhls lagen ein paar große Tonscherben. Auch die Oberfläche des Tisches war mit Scherben bedeckt. Am Rande lag ein Stück mit einem unversehrt gebliebenen Henkel.
    »Da ist ein Krug zu Bruch gegangen«, stellte Florian fest und betrachtete die Tischplatte mit den Bechern und dem Zinnkrug. »Sieht aus wie bei einem Saufgelage – und diese seltsame Tischdecke mit dem Totenschädel …«
    »Schau mal die goldenen Buchstaben da, ›Fratres mortis‹ – Brüder des Todes. Was hat das zu bedeuten?« Annas Augen weiteten sich vor Grauen. »Das sind sie! Das sind die Leute, mit denen sich meine Schwester getroffen hat und da drüben …« Sie musste sich mit beiden Armen auf den Tisch stützen, so sehr war ihr der Schrecken in die Glieder gefahren.
    Florian folgte ihrem Blick. Auf einem Stuhl an der gegenüberliegenden Seite des Tisches war die zusammengekrümmte Gestalt eines Mannes zu erkennen.
    »Gott steh mir bei, das ist ja Kilian von Hattstein, der frühere Seelsorger meiner Schwester!«, stammelte Anna.
    Florian nahm all seinen Mut zusammen und beugte sich über die beiden anderen Körper, die zwischen den Stühlen lagen.
    »Kalt und starr sind die auch nicht. Sie können alle noch nicht lange tot sein.« Er sah sich plötzlich nachdenklich um. »Das sind insgesamt fünf Leute. Auf dem Tisch stehen aber sieben Becher, und es sind auch sieben Stühle zu sehen. Zwei Leute fehlen … Vielleicht haben wir
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