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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern
Autoren: Kristin Hannah
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ihn zu schützen. Wesentlich war auch, dass sie und kein anderer das Problem gelöst hatte. Vielleicht wäre ihr Vater dann endlich stolz auf sie.
    Die Gegensprechanlage summte. »Sie sind jetzt da, Winona.«
    »Bringen Sie sie in den Konferenzraum.« Winona schob die Unterlagen in einen Ordner und griff nach ihrem blauen Blazer. Als sie ihn anzog, bemerkte sie, dass er über der Brust spannte. Sie seufzte und machte sich auf den Weg zum Konferenzraum.
    Ihre Kanzlei befand sich im unteren Stockwerk eines großen viktorianischen Hauses auf einem Eckgrundstück der Ortsmitte von Oyster Shores. Sie hatte es einige Jahre zuvor gekauft und Stück für Stück renoviert. Mittlerweile war die gesamte untere Etage fertig. Schließlich musste sie ihren Klienten einen entsprechenden Rahmen bieten. Im nächsten Jahr würde sie mit dem Wohnbereich in den oberen Etagen anfangen. Sie hatte schon fast genug Geld dafür gespart.
    Im Flur blieb sie lange genug vor dem Spiegel stehen, um ihr Erscheinungsbild zu prüfen: ein rundliches, hübsches Gesicht, dunkelbraune Augen unter geschwungenen schwarzen Brauen, volle Lippen, Schultern, um die sie ein NFL -Lineman beneidet hätte, und genug Busen für drei Frauen. Ihre langen schwarzen Haare – ihr einziger Pluspunkt – hatte sie aus dem Gesicht gekämmt und mit einem blau-weißen Tüllgummi gebändigt.
    Sie zwang sich zu lächeln, ging weiter und betrat den ehemaligen Wintergarten. Deckenhohe Fenster und zwei antike Flügeltüren nahmen die gesamte hintere Wand ein. Durch die rechteckigen Scheiben sah man ihren Garten, in dem jetzt die Farbe Braun vorherrschte; abgeschlossen wurde die Aussicht von den Backstein- und Holzfassaden der Front Street. Ein langer Eichentisch dominierte die Mitte des Zimmers. Dort saßen die Mitglieder des Stadtrates von Oyster Shores, inklusive ihrem Vater, der streng genommen zwar nicht dazugehörte, doch zu jedem Treffen eingeladen wurde.
    Winona nahm ihren üblichen Platz am Kopfende ein. »Wie kann ich Ihnen heute helfen?«
    Ken Otter, der neben ihr sitzende Zahnarzt des Ortes, lächelte strahlend – wie immer. Er war sein eigener Werbeträger. »Wir wollten die Vorgänge im Reservat besprechen.«
    Schon wieder das Reservat. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass es keine Möglichkeit gibt, das zu verhindern. Ich meine –«
    »Aber hier geht’s um ein Kasino «, warf Myrtle Michaelian ein und wurde schon bei der Vorstellung rot. »Dann haben wir es demnächst mit Prostitution zu tun. Die Indianer sind doch –«
    »Stopp«, sagte Winona entschieden. Sie sah sich in der Runde um und bedachte jeden Einzelnen am Tisch mit einem längeren Blick, bevor sie weitersprach. »Erstens bezeichnet man sie korrekt als amerikanische Ureinwohner, und zweitens haben Sie kein Recht, sie am Bau eines Kasinos zu hindern. Wenn Sie dagegen angehen wollen, werden Sie eine Menge Geld verschwenden, aber nicht gewinnen.«
    Die Diskussion ging noch ein bisschen weiter, aber die in Aussicht gestellte Geldverschwendung hatte allen den Wind aus den Segeln genommen. Am Ende erstarb ihr Widerstand wie ein Motor ohne Treibstoff, und schließlich standen alle auf und dankten Winona, ihnen geholfen und Ausgaben erspart zu haben.
    »Dad?«, sagte sie. »Könntest du noch einen Moment bleiben?«
    »Ich muss in einer Dreiviertelstunde in Shelton sein.«
    »Dauert nicht lange.«
    Er nickte kurz – eigentlich hob er nur kaum merklich das Kinn – und blieb dann mit verschränkten Armen stehen, während die Ratsmitglieder sich verabschiedeten. Als alle gegangen waren, wandte sich Winona wieder zu ihrem Platz am Kopfende des Tischs, setzte sich und schlug den Ordner auf. Sie warf einen kurzen Blick auf die Unterlagen und empfand unwillkürlich Stolz. Es war ein guter Plan.
    »Es geht um Water’s Edge«, begann sie und blickte endlich auf. Sie machte sich nicht die Mühe, ihm einen Platz anzubieten. Diese Lektion hatte sie gelernt: Henry Grey entschied ganz allein, wann und wohin er sich bewegte. Sollte jemand etwas anderes versuchen, stand er immer als der Dumme da. Ohne Ausnahme.
    Jetzt knurrte Dad etwas. Sie nahm nicht an, dass es ein Wort war.
    »Ich weiß, dass du momentan knapp bei Kasse bist, aber in Water’s Edge muss etliches repariert werden. Die Zäune sind in einem schlechten Zustand, der Offenstall fängt an abzusacken. Und wenn wir im Parkbereich davor keine Drainage anlegen und Kies daraufgeben, wird irgendwann noch mal jemand im Schlamm versinken. Von den Steuern
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