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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern
Autoren: Kristin Hannah
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ein, dass es ihr nichts ausmachte, Hauptsache, Clem würde nicht verkauft, aber das tröstete sie kaum.
    Dann hörte sie, wie Aurora, nun, da das Drama vorbei war, den Hügel heraufkam und sich zu ihr gesellte. »Alles klar?«
    »Ja, alles klar.«
    »Hauptsache, Clem wird nicht verkauft.«
    »Genau«, sagte Winona und wünschte, es wäre wahr. »Was kümmert es mich, wer das Pferd reitet?«
    »So ist es.«
    Aber als Winona Jahre später auf die Zeit unmittelbar nach dem Tod ihrer Mutter zurückblickte, erkannte sie, wie eine einzige Handlung – die Übergabe einer Longe – alles verändert hatte. Von da an war Eifersucht ein ständiger stummer, aber gefährlicher Begleiter ihres Lebens. Doch niemand konnte sie sehen. Zumindest damals nicht.

Teil 1
    Vorher
    Was ist Leidenschaft? Eindeutig die Entwicklung zu einer Persönlichkeit … In der Leidenschaft suchen Körper und Geist ihren Ausdruck … Je extremer und prägnanter diese Leidenschaft ist, desto unerträglicher scheint das Leben ohne sie. Wenn Leidenschaft also stirbt oder unterdrückt wird, sterben wir mit, erst ein Teil von uns und bald darauf unweigerlich unsere ganze Persönlichkeit.
    John Boorman, Filmregisseur

Eins
    1992
    Der Tag, auf den Vivi Ann so lange gewartet hatte – der 25. Januar –, schien für lange Zeit in weiter Ferne zu liegen. Als er schließlich doch kam, wachte sie noch früher auf als sonst. Lange bevor es hell wurde, stand sie auf. In ihrem kalten dunklen Zimmer streifte sie sich ihren gefütterten Overall und eine Wollmütze über. Dann nahm sie ein Paar alter, lederner Arbeitshandschuhe, stieg in ihre riesigen Gummistiefel und ging hinaus.
    Eigentlich hätte sie die Pferde nicht füttern müssen. Das war Aufgabe des frisch eingestellten Rancharbeiters. Aber da sie vor lauter Aufregung nicht mehr schlafen konnte, wollte sie sich nützlich machen.
    Der Mond schien nicht, daher sah Vivi Ann nur den gespenstisch silbrigen Hauch ihres Atems, aber wenn sie eines kannte, dann das Land ihres Vaters.
    Water’s Edge.
    Über hundert Jahre zuvor hatte ihr Urgroßvater dieses Fleckchen Erde urbar gemacht und den nahe gelegenen Ort Oyster Shores gegründet. Mochten andere Männer Orte gewählt haben, die zugänglicher und leichter zu bewirtschaften waren – Abelard Grey nicht. Er hatte die gefährlichen Ebenen überquert, um hierherzugelangen, hatte einen Sohn an die Indianer und einen an die Influenza verloren, und doch war er immer weiter nach Westen gezogen, weil ihn der Traum von diesem wilden abgeschiedenen Fleckchen Erde des Evergreen State lockte. Das Land, für das er sich entschied, einhundertfünfundzwanzig Hektar zwischen dem relativ warmen blauen Wasser des Hood Canal und einer baumbestandenen Hügellandschaft, war atemberaubend schön.
    Vivi Ann ging die kleine Anhöhe hinauf zu der Stallanlage, die sie zehn Jahre zuvor gebaut hatten. Unter einem hohen Holzdach befand sich ein umzäunter Reitplatz, der auf beiden Seiten von zwölf Pferdeboxen flankiert wurde. Als sie die riesige Schiebetür öffnete und die Oberlichter mit einem dezenten Klicken angingen, wurden die Pferde sofort unruhig und wieherten, um ihr mitzuteilen, dass sie Hunger hatten. In der nächsten Stunde holte Vivi Ann Heu von den im Offenstall gestapelten Ballen und schob es mit einer rostigen Schubkarre über den unebenen Estrich der Boxengänge. An der letzten Box hing ein maßgefertigtes Holzschild mit dem selten benutzten offiziellen Namen ihrer Stute: Clementine’s Blue Ribbon.
    »Hallo, mein Mädchen«, sagte sie, entriegelte die Holztür und schob sie zur Seite.
    Clem wieherte leise, kam zu ihr und stibitzte sich ein bisschen Heu aus der Schubkarre.
    Vivi Ann warf zwei Armvoll davon in die eiserne Futtertraufe und schloss hinter sich die Boxentür. Während Clem fraß, stand Vivi Ann neben ihr und strich ihr über den seidig weichen Hals.
    »Bist du bereit fürs Rodeo, mein Mädchen?«
    Als Antwort schmiegte sich die große Stute so eng an sie, dass Vivi Ann fast das Gleichgewicht verlor.
    In den Jahren nach dem Tod ihrer Mutter waren Vivi Ann und Clementine unzertrennlich geworden. Eine Zeitlang, als ihr Vater aufgehört hatte zu reden und stattdessen angefangen hatte zu trinken und als Winona und Aurora nur mit der Highschool beschäftigt waren, hatte Vivi Ann die meiste Zeit mit ihrem Pferd verbracht. Manchmal, wenn Trauer und Einsamkeit sie zu überwältigen drohten, war sie aus ihrem Zimmer geschlüpft und zum Stall gerannt und hatte sich auf
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