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Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Titel: Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Autoren: Wilfried Esch
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Pilatus zusammen mit ihren Schlachtopfern hatte töten lassen. Da antwortete ihnen Jesus: Glaubt Ihr etwa, diese Galiläer seien größere Sünder gewesen als alle anderen Galiläer, weil sie dieses Schicksal erlitten haben? Nein, ich sage Euch, Wenn Ihr Euren Sinn nicht ändert, werdet Ihr alle ebenso umkommen. Oder meint ihr, dass die 18 Leute, auf die der Turm am Teich von Schiloach fiel, nicht mehr Schuld auf sich geladen hatten als die übrigen Einwohner von Jerusalem? Nein, sage ich. Wenn ihr euren Sinn nicht ändert, werdet ihr alle ebenso umkommen.
    Da war sie wieder, die Frage nach der Schuld der Juden am Tode des Herrn .
    Doch war diese Frage nicht auch Schuld am Tode vieler Juden, die hier in Europa lebten, fern ihrer Heimat und Jahrhunderte nach dem Tod Jesu Christi? Gab es so etwas wie eine Erbschuld? Man hatte die Juden oft und vielerorts für Unglücke, Not und Elend, Pest und Mord verantwortlich gemacht. Wer nicht getötet wurde, den hatte man vertrieben. Sollte auch Caesarius an die Schuld der Juden geglaubt haben und glaubten dies gar die Häretiker?
    Maurus ging noch einmal die Stellen durch.
    In seinem Tagebuch sprach Caesarius auch davon, dass jene verruchten Ketzer aussagten, dass das Gesetz des Moses vom Fürsten der Finsternis sei und vom Teufel gegeben wurde, und dass das Gesetz des Evangeliums von Gott, dem Fürsten des Lichts, den Menschen gegeben wurde. Als Beweis für die Richtigkeit seiner These führte der Ketzer eine Stelle in den Römerbriefen an, wo es heißt: So sagt der Apostel: Das Gesetz kam hinzu, damit die Sünde überhand nehme. Das Gesetz des Moses ist das Gesetz des Todes und der Sünde, führte der Ketzer weiter aus. Also muss es vom Bösen stammen und es wurde vom Bösen, das heißt vom Teufel, gegeben, behauptete der Ketzer weiter. Welch perfide Logik, dachte Maurus und beugte sich nach vorn, um eine weitere Seite des Tagebuchs des Caesarius von Heisterbach zu untersuchen. Zeile für Zeile studierte er den in Latein geschriebenen Text, um ihn sogleich zu übersetzen. An manchen Stellen erwies sich dies als schwierig, da die Tinte verblasst beziehungsweise das Pergament beschädigt war, so dass der Text nicht mehr vollständig lesbar war. Außerdem benutzte Caesarius zahlreiche Kürzungen, wobei er einzelne Worte zusammenzog, indem er nur noch die Konsonanten stehen ließ. So bedeuteten die Buchstaben „dns“ Dominus oder „scs“ sanctus. Das bereitete Maurus zusätzliche Schwierigkeiten, da Caesarius sich einer im Mittelalter gängigen Minuskelschrift bediente, die nicht immer leicht zu lesen ist.
    Mehr und mehr gewann Maurus van Leuven den Eindruck, dass Caesarius sein Tagebuch in großer Eile geschrieben hatte. Warum sonst sollte er sich derart vieler Abkürzungen bedienen? Oder wollte er gar sicherstellen, dass nicht jeder seine Texte sofort entziffern konnte, indem er sich einer Art Geheimschrift bediente?
    Mühselig entzifferte Maurus die nächste Zeile, in der Caesarius einen Psalm zitierte.
    De profundis clamavi at te comi domine. Aus den Abgründen habe ich zu dir gerufen, Herr.
    Diese Passage beinhaltete keine Abkürzung, sondern war in Reinschrift verfasst. Auch die nächste Zeile war entsprechend abgefasst.
    Adora quod incendisti, incende quod adorasti! – Bete an, was du verbrannt hast, verbrenne, was du angebetet hast,
    las Maurus ein Zitat des heiligen Remigius von Reims. Remigius war es, der den Merowinger König Chlodwig I. getauft hatte und dafür vom fränkischen Volk als einer seiner großen Heiligen verehrt wurde.
    Die nächste Zeile des Textes war wieder mit Abkürzungen versehen und in einer Art Geheimschrift geschrieben.
    »Das gibt’s doch gar nicht!«, entfuhr es ihm, nachdem er mühselig die Bedeutung des Textes enträtselt hatte und sprang beinahe erschrocken auf. Als es dann auch noch an seiner Tür klopfte, zuckte er tatsächlich vor Schreck zusammen und öffnete sie wie ein Betrunkener.
    Ein hagerer älterer Mann stand vor ihm und blickte ihn mit stechenden Augen an.
    »Seid Ihr Maurus van Leuven?«
    Der Jesuit nickte.
    »Gut«, sagte der Mann weiter. »Dann habe ich eine Nachricht für Euch. Der Commissarius Matthias Liebknecht lässt Euch heute Abend in sein Haus bitten. Ihr sollt Euch gegen acht Uhr bei ihm einfinden.«

Kapitel 5
Eine Frage der Methodik
    Maurus machte ein enttäuschtes Gesicht, als nicht Liebknecht selbst, sondern eine ältere Magd ihm die Tür öffnete.
    »Mein Herr erwartet Euch in seiner Bibliothek«, sagte sie
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