Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Titel: Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Autoren: Wilfried Esch
Vom Netzwerk:
musste.
    Unter den Ketzern befand sich ein hübsches junges Mädchen. Das Volk hatte Mitleid mit ihr und einige versprachen, sie einem Manne zu geben oder – wenn ihr dies besser gefiele – in ein Frauenkloster zu bringen. Daraufhin ergriff man sie und zog sie aus dem Feuer heraus, als sie sich dem Wort nach für einverstanden erklärt hatte. Als die Ketzer alle tot waren, sprach sie zu denen, die sie festhielten: Wo liegt dieser Verführer, ihr Meister? Als sie ihr die Stelle zeigten, wo ihr Lehrer brannte, entwand sie sich ihren Händen, um sich auf seinem Leichnam in die Flammen zu stürzen. Ihr Gesicht hatte sie mit ihrem Gewand verhüllt und fuhr so mit ihm zusammen in die Hölle hinab, wo sie in Ewigkeit brennen möge.
    Der Text der Chronica Regia Coloniensis war wesentlich nüchterner. Die Schrift sprach von einigen Ketzern von der Sekte derer, die man Katharer nannte, die aus Flandern in die Gegend von Cölln kamen und in der Nähe der Stadt heimlich in eine Scheune zogen, um dort zu hausen. Als sie sich weigerten, am Sonntag in die Kirche zu kommen, wurden sie von den Umwohnenden als Ketzer entlarvt und ergriffen. Man übergab sie der katholischen Kirche, die sie lange und ausgiebig verhörte. Da man jedoch keine Beweise für ihre Bekehrung feststellen konnte, sondern sie im Gegenteil hartnäckig bei ihrem Glauben blieben, wurden sie exkommuniziert und den weltlichen Richtern übergeben. Diese sprachen das Urteil über sie und ließen sie am 5. August des 1163. Jahres der Fleischwerdung des Herrn vor die Stadt führen und dem Feuer übergeben.
    Es handelte sich nach der Chronica Regia Coloniensis um vier Männer und ein junges Mädchen. Weil das Volk Mitleid mit ihr hatte, wurde sie gemäß der Schrift der Chronica erst gar nicht auf den Scheiterhaufen geführt. Da sie sich aber durch den Tod der Anderen nicht abschrecken ließ, entwand sie sich plötzlich den Händen ihrer Häscher und stürzte sich freiwillig in das Feuer, um darin umzukommen.
    Doch das war es nicht, was Maurus van Leuven grübeln ließ. Es war mehr der Text des geheimen Tagebuchs des Caesarius von Heisterbach. Darin war auch von einem Verhör die Rede, und dass einer der Ketzer behauptet habe, dass Jesus selbst als Gotteslästerer, das heißt als Häretiker, gekreuzigt worden sei. Dabei bezog er sich auf das neue Testament, wo es im Evangelium nach Markus, Kapitel 14, Vers 63, heißt: Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sagte: Wozu brauchen wir noch Zeugen? Ihr habt die Gotteslästerung gehört. Was urteilt Ihr? Da gaben sie alle das Urteil ab, dass er des Todes schuldig sei.
    Auch bei Johannes war eine entsprechende Stelle zu finden, 10,33. Die Juden antworteten ihm: Wegen eines guten Werks wollen wir dich nicht steinigen, sondern wegen der Gotteslästerung. Du hast dich nämlich, obwohl du nur ein Mensch bist, selbst zu Gott gemacht.
    Auch sprach der Ketzer davon, dass Jesus von den Schriftgelehrten für einen Zauberer gehalten wurde, der von einem Oberdämon besessen war und dadurch Macht besaß, Dämonen auszutreiben. Caesarius nannte in seinem Tagebuch als Quelle Markus 3, 22. Maurus griff nach einer Bibel und schlug das Evangelium nach Markus auf. Tatsächlich! In Kapitel 3,22 heißt es: Auch die Schriftgelehrten, die von Jerusalem hergekommen waren, sagten: Er ist von Beelzebub besessen und zusammen mit dem Obersten der bösen Geister treibt er die Geister aus.
    Mit Entsetzen begriff Maurus mit einem Male, dass es die Bibel selbst war, die der Häresie Tür und Tor öffnete. War dies von Gott gewollt? Ihm schauderte bei diesem Gedanken, den er wie einen kalten Schauer abzuschütteln versuchte. Doch der Gedanke ließ sich nicht abschütteln. Es war ein Dilemma, das sich ausgerechnet durch die Bibel beweisen ließ. Doch wer war dafür verantwortlich? Er schaute wieder auf die Texte vor sich auf dem Tisch. Da fiel ihm ein Wort auf. Caesarius von Heisterbach sprach von einer Verbrennung neben einem alten Judenfriedhof. War dies ein versteckter Hinweis auf die ständigen Auseinandersetzungen zwischen Jesus auf der einen und den Pharisäern und Sadduzäern, also den Juden, auf der anderen Seite hinsichtlich der Thora-Auslegung? War es nicht so, dass sie sich gegenseitig unterstellten, nicht das richtige Verständnis vom Judentum zu haben, Thora und Tempeldienst falsch zu interpretieren?
    Ihm fiel Lukas, Kapitel 13 dazu ein, wo es heißt: Zu dieser Zeit waren einige Leute bei Jesus. Sie erzählten ihm von den Galiläern, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher