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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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erfand sie, oder ich sollte wohl besser sagen: deduzierte sie das Geräusch, das zu ihrem fehlgedeuteten visuellen Eindruck paßte.«
    Und um diese reizvolle Theorie zu belegen, schickte sich unser Führer nun an, uns zurück in Richtung Eßzimmer zu geleiten. Aber ich hätte ihm sagen können, daß Mr. M. sich ebenso leicht leiten ließ, wie Jane dazu zu bringen war, beim Thema zu bleiben. Ich lächelte, als ich sah, wie der ältere der beiden Detektive die nächstbeste Gelegenheit zu einer Ablenkung ergriff, denn Mr. M. zählt zu denen, die glauben, daß, zumindest wenn es sich um Informationen handelt, Geben seliger ist denn Nehmen. Wir hatten uns kaum von der Tür abgewandt, als er innehielt, dann die Gartenmauer entlangging und uns zurief: »Einen Moment nur. Noch eine weitere Bestätigung für unseren wohldokumentierten Bericht.« Wir warteten, während er in dem Haufen abgeschnittener Buchenzweige wühlte und am Ende einen recht großen hervorholte, beinahe schon ein kleiner Ast, und ihn in die Höhe hielt, anscheinend um ihn zu bewundern. Doch er mochte sich auch noch so viel Mühe geben, mehr konnte er mit diesem Ablenkungsmanöver nicht herausschinden, und einen Augenblick später gab er nach und ließ sich zurück zum Eßzimmer geleiten, wobei er allerdings noch immer gedankenverloren mit dem Zweig, den er mitgenommen hatte und von dem ihm offenbar kaum noch bewußt war, daß er ihn in der Hand hielt, an seine Schuhe schlug. Als er die Treppe hinaufging, ließ er ihn jedoch seitlich herabfallen. Gewißlich hätte er einen Gutteil seiner Sympathie bei Jane verloren, hätte er Bucheckern und Blätter auf ihre gebohnerten Böden und samtglänzenden Teppiche gebracht.
    »Also«, sagte der Inspektor wie ein ungeduldiger Dozent, als er uns am Fenster postiert hatte, »bleiben Sie bitte hier stehen und behalten Sie sorgsam die kleine obere Ecke der Tür im Auge, die Sie von hier aus sehen können.« Mit diesen Worten verließ er uns. Einen Augenblick später hörten wir ihn, auch wenn wir ihn nicht mehr sehen konnten, aus Richtung der Tür rufen: »Aufgepaßt!« Und als wir hinsahen, bewegte sich die Oberseite der Tür an die sechs Zoll oder auch mehr aus dem Schatten ins Licht. Das Quietschen der Schließe hörte ich jedoch nicht.
    Als er wieder bei uns war, sagte Mr. M.: »Das war sehr gut gemacht.«
    Der andere nahm dies mit einer gewissen halb verschämten Bescheidenheit auf. »Haben Sie Muße genug, sich mit der neueren Malerei zu beschäftigen?«
    Wiederum diese beinahe widerwillige Zustimmung. »Ja, da lernt man, nicht zu sehr auf Sinneseindrücke zu bauen, nicht wahr? Wie Constable sagte: >Was sehen wir anderes als Licht, das auf Licht fällt.<« Und mit einem, wie ich fand, ein kleinwenig affektierten Seufzer fügte Mr. M. hinzu: »Und Schatten, die durch Schatten dringen.«
    Erfreulicherweise hob diese Art von hochgestochenen Andeutungen die Laune unseres Inspektors offenbar nicht, und dies zu der Zeit, zu der auch ich allmählich die Geduld verlor und mit beinahe heftigem Tonfall fragte: »Worum geht es hier eigentlich?« So beeilte Mr. M. sich denn, ihm beizupflichten: »Gewiß, die Tür hat sich überhaupt nicht geöffnet. Sie haben nichts weiter getan als einen Ast zu bewegen, was einen einzelnen Sonnenstrahl auf das obere Ende der Tür fallen ließ, so daß es aussah, als sei tatsächlich die Türe selbst vom Schatten ins Sonnenlicht gekommen – als ob sie sich, mit anderen Worten, geöffnet habe.«
    Der Inspektor nickte und nahm den Faden auf. »Da die Tür sich niemals öffnete, trat auch niemand durch sie ein. Folglich war der Garten völlig abgeschlossen, niemand befand sich darin, und also ist der einzige Mensch, der Sankey umgebracht haben kann, Sankey selbst. Wir haben auch ein Motiv, wohingegen die andere Alternative – Mord – auf eine weit hergeholte Hypothese angewiesen wäre. Ich habe die üblichen Nachforschungen nach unliebsamen Landstreichern anstellen lassen. Da gibt es nichts, was uns weiterbrächte. Sie wissen ja, daß die meisten Landstreicher der Polizei mehr oder weniger bekannt sind, und die Mehrzahl von ihnen ist recht harmlos – die würden genauso wenig jemanden umbringen, wie eine Schnecke ein Mörder ist. Für die andere Hypothese hingegen – Selbstmord – habe ich eindeutige Bestätigung erlangen können. Sankey war Melancholiker. Ich habe mit seinem Arzt gesprochen: wurde zunehmend reizbarer – das haben Sie ja auch dem Bericht des Hausmädchens entnehmen
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