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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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noch größerer Weitschweifigkeit zu ermuntern.
    Natürlich nahm sie sich mit Freuden dieser Frage an, und die Bande ihrer Freundschaft festigten sich noch. »Na, schließlich war es ja ziemlich prompt – ich weiß noch, daß ich das dachte –, daß der Müllmann so schnell kam. Denn die Bäume waren erst am Tag zuvor beschnitten worden. Erst am Tag zuvor war Mr. Milium – also, das ist ein feiner Herr, ein Gentleman, einer von denen, denen es immer gleich auffällt, wenn ein Haus ordentlich geführt wird. Und er hat allen Grund, dieses hier zu beneiden; ich darf das ja eigentlich nicht selbst sagen, das gehört sich nicht, aber Mrs. Sprigg drüben, die für ihn sorgt – obwohl ich weiß Gott nichts gegen sie habe, nur daß sie lieber ein Schwätzchen hält als ihre Arbeit tut – na ja, sie hat weder die Zeit noch das Geschick, das Haus drüben so in Schuß zu halten, wie dieses hier, ihr Mann ist ja schon lange kränklich, und dazu noch…«
    Doch das, dem Himmel sei Dank, war selbst für Mr. Mycroft zuviel. Nicht ungeschickt dämmte er dieses sich immer weiter verzweigende Delta von Reminiszenzen ein, indem er sie an den Hauptstrom und ihren Ausgangspunkt zurückführte.
    »Mr. Milium, sagen Sie?«
    »Oh ja. Mr. Milium kam vorbei, wie er das immer tut, oder vielleicht sollte ich sagen, er wurde hergebeten. Denn der arme Mr. Sankey mochte das, auf seine Weise. Wie manche Katzen, wenn man sie streichelt, wollen, daß man weitermacht, und einen womöglich kratzen würden, wenn man es nicht täte, aber sie würden’s sich ums Verrecken nicht, wie meine Mutter immer zu sagen pflegte, die ein wenig grob in ihrer Ausdrucksweise war, sie würden sich’s ums Verrecken nicht anmerken lassen.«
    Ich fürchtete schon, als nächstes käme nun ländliche Naturkunde, erläutert am Beispiel der Lebensgewohnheiten der gemeinen Hauskatze. Doch Mr. Milium kam wieder an die Oberfläche, und mit ihm lebten meine zusehends nachlassenden Hoffnungen auf.
    »Als ich Mr. Sankey seinen Morgentrunk brachte, da sagte Mr. Milium gerade, daß die Laube unbedingt zurückgeschnitten werden müßte – weil sie sonst zu breit an den Seiten würde und überwachsen am Dach. Und es war nicht zu übersehen, daß Mr. Sankey das selbst wollte, auf seine Weise. Mr. Sankey haßte es, wenn irgend eine Arbeit in seiner Nähe getan wurde. Andererseits haßte er aber auch die Vorstellung, daß er vom Hause aus gesehen werden könnte. Deshalb mochte er die Laube hier. Oh, er war ein eigenbrötlerischer Mensch. Hier konnte er sitzen, und keiner von uns konnte ihn sehen, von keinem einzigen Fenster aus. Deshalb habe ich nicht wirklich sehen können, wie der arme liebe Herr…« (durch seinen tragischen Tod hatte sich ihr zu Lebzeiten offensichtlich ungeliebter Herr ein Anrecht auf melancholische Zuneigung erworben) »erstochen wurde. Also, Mr. Milium beharrte darauf, daß die Laube, so wie sie war, kaum noch zu gebrauchen sei, und daß man einen Gärtner kommen lassen solle, um die Zweige zurückzuschneiden. Mr. Sankey zeterte wie ein rostiges Gartentor, daß er genug von der Laube habe. Er würde sich ohnehin bald einen anderen Platz suchen – obwohl sogar ein Einäugiger hätte sehen können, daß er nirgendwo sonst im Garten einen so schönen Sitzplatz finden würde. Mr. Milium war so geduldig und erklärte ihm, wie einfach das mit dem Zurückschneiden ginge, und wie schnell dazu, und dann könne er seinen abgeschiedenen Ort behalten und hätte noch die Sonne dazu. Und dann sagte Mr. Sankey mit einer Miene so sauer wie schlechtgewordene Milch (obwohl das ja nun weiß Gott nichts Seltenes bei ihm war): >Nun, wenn Ihnen so viel daran liegt, daß ich bleibe, wo ich bin, und trotzdem abgeschirmt bin, dann machen Sie es selbst!«
    Als ich ging, waren sie noch zusammen. Doch einige Minuten später begegnete mir Mr. Milium in der Halle, der gute, freundliche Mann, und sagte, daß er nach dem Mittagessen wiederkommen und sich an die Arbeit machen werde, und er werde darauf achten, alles ordentlich zu hinterlassen und keinen Zweig und kein Blatt hinein auf meine Teppiche zu tragen. Und er hielt sein Versprechen – wie immer. Und da war er nun, schnibbelte und schnitt den ganzen Nachmittag an dem Eckchen, bis es, wie Sie ja selber sehen können, so ordentlich getrimmt war, als sei es beim Friseur gewesen, und, das brauche ich ja kaum noch hinzuzufügen, nach allem was ich schon gesagt habe, es kam kein Blatt und kein Zweig und keine alte Bucheckernhülse –
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