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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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wäre.«
    Zuvorkommender konnte man nicht sein, und ich beeilte mich ihm zu versichern, daß ich nach allem, was ich über das Haus gehört hatte, sehr geneigt sei, die Verhandlungen ohne weitere Komplikationen zum Abschluß zu bringen.
    »Nun«, sagte er, als der Zug sein Tempo zu verringern begann, »jedenfalls werden wir ein interessantes Stück besichtigen – wie die Sachverständigen im Museum alles zu nennen pflegen, was eher der Vergangenheit als der Gegenwart angehört.«
    Am Bahnhof näherte sich Mr. M. ein besonnen wirkender Mann. Da nur zwei Reisende, die offensichtlich Bauern waren, und drei Damen unbestimmbaren Alters mit uns aus dem Zug gestiegen waren, bedurfte es für den Mann keines großen Scharfsinns, uns zu erkennen. Er geleitete uns hinaus, wo uns ein entzückendes Museumsstück von einem Landauer erwartete – ganz, wie man ihn sich vorstellt, mit ausgebleichten, mottenzerfressenen Polstern, die einmal königsblau gewesen waren, und alten, mit Quasten verzierten Bändern aus geprägtem Leder, mit denen man die gläsernen Fensterscheiben hinaufziehen konnte, wenn das rissige lacklederne Verdeck zum Schutz gegen den Regen aufgezogen wurde.
    Doch heute war ein prachtvoller Tag, und ich stellte mir vor, ich sei der Großherzog von Baden und reise mit meinem Stallmeister und meinem Leibarzt zur Kur an, und genoß die Fahrt durch die Straßen des altertümlichen Städtchens außerordentlich. Mr. Mycroft, der unbewußt in die Rolle des Hofarztes schlüpfte, die ich ihm zugedacht hatte, unterhielt mich, die königliche Hoheit, mit der Bemerkung: »Twibury ist ein entzückendes Städtchen. Es gibt eine Heilquelle hier. Links sehen Sie den Turm der größtenteils angelsächsischen Kirche mit den typischen Mauerecken aus langen und kurzen Steinen und den symmetrisch angeordneten Fensterschächten im Turm, und in der Stadt selbst finden wir einige ausgesprochen gelungene Beispiele für Wohnarchitektur aus der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts.«
    All das hätte mich gelangweilt, hätte ich es außerhalb meiner Rolle wahrgenommen, doch nun, da ich mich in meinem Tagtraum als deutscher Duodezfürst fühlte, harmonierte es so vortrefflich mit dem ganzen Gedankengebäude, daß ich mich schon fast in das Städtchen verliebt hatte.
    Als wir dann durch blühende Obstgärten hindurch einem schönen, stattlichen Backsteinhaus zustrebten, wo harmonische Steinstufen zu einer von Säulen gerahmten und von einem Oberlicht gekrönten Haustür führten, da erübrigte es sich, in dem fein gearbeiteten eisernen Gitterwerk, welches im Bogen die Treppe überspannte und ein Nest schuf, in dem die Flurlampe sich niederlassen konnte, die Jahreszahl »1760« überhaupt zu entziffern.
    Als der Wagen zum Stehen kam, wandte ich mich Mr. M. zu und sagte: »Mein Herz ist jetzt schon gewonnen. Wir können so lange bleiben, wie es Ihnen gefällt.«
    Ich hätte wissen müssen, daß er mir widersprechen würde, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sein »Warten Sie lieber noch«, darauf abzielte, mich aus einem Traum zu reißen, von dem er wohl bemerkt hatte, daß ich ihn genoß. Es war ja offensichtlich, daß es immer weniger gab, was noch abzuwarten war, und immer weniger Grund bestand, damit zu zögern, aus der reichlich beengten Wohnung, die wir uns gemeinsam in London genommen hatten, herauszukommen in diese – um jemanden zu zitieren, ich weiß nicht mehr wen – »freie, heit’rere Luft«. Denn als wir, nachdem sich unser Begleiter uns angeschlossen hatte, die Stufen emporstiegen, öffnete sich die Tür. Ein ausgesprochen tüchtiges Dienstmädchen stand dort – das erkannte ich sofort, denn ich habe einen Blick für Dienstmädchen. Und mein Urteil bestätigte sich mit jedem Schritt, den wir jenseits der Schwelle machten: das Messing war wie Gold; das Mahagoni wie Schildpatt; das Silber glitzerte wie Quecksilber; nirgends ein Staubkorn, geschweige denn auch nur ein Spinnenfädchen; der Chintz vor kurzem geglättet, noch neu und steif, aber nicht abweisend.
    Als wir von der Eingangshalle zum Eßzimmer gingen, war selbst Mr. M. beeindruckt und höflich genug zu sagen: »Wie wunderbar poliert die Holzflächen alle sind.« Das Mädchen strahlte vor Stolz; doch dann, nicht damit zufrieden, ihr eine Freude gemacht zu haben, mußte er alles verderben, indem er ein absurd übermäßiges Interesse an den Tag legte. Er beugte sich hinunter und inspizierte den Flügel, an dem wir vorbeikamen.
    »Sie arbeiten wohl mit
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