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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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sollen, wie sie sind, da ist man Durcheinander gewöhnt und verliert nicht gleich die Nerven, wenn so etwas geschieht. Ich ging und telefonierte so ruhig, wie ich hier vor Ihnen stehe, und ich sagte zu Mr. Timmins – das ist der Leiter der hiesigen Polizeiwache, und ein feiner Mann, das kann ich Ihnen versichern – >Mr. Timmins«, sagte ich, >ich hoffe, es geht Ihnen gut, und würde es Ihnen wohl etwas ausmachen vorbeizukommen, und alles soll, so sehr mich das auch zwickt, denn ich habe es gerne ordentlich, alles soll unverändert bleiben, denn Mr. Sankey ist eben ermordet worden.««
    »Haben Sie vielen, herzlichen Dank«, unterbrach Mr. M. sie endlich. »Ein äußerst wohlgeordneter Bericht, und Ihr Verhalten war mustergültig. Den Rest wissen wir.«
    »Danke, Jane«, fügte der Inspektor hinzu, und sie verstand den Wink tatsächlich, vielleicht weil sie sich dachte, daß sie keinen besseren Abgang bekommen konnte.
    Es hatte etwas Endgültiges, als sie sich wieder dem Haus zuwandte, wir folgten ihr in das Eßzimmer, und auch dort verweilte sie nicht länger. Als sie die Tür hinter sich schloß, sagte Mr. Mycroft in einem gewissen herausfordernden Ton: »Ein klarer Fall. Jeder Geschworene und die meisten Richter wären überzeugt, daß es Mord war, nicht wahr?«
    »Das dachte ich auch«, antwortete der Inspektor. »Und anfangs schien alles genau das zu bestätigen, was wir soeben gehört haben. Zuerst sah ich mich auf dem Feldweg um – ich war schon wenige Stunden nach dem Vorfall hier. Der Feldweg hinter dieser Mauer ist ein ausgesprochen ruhiger Ort, wie geschaffen für Landstreicher, sich niederzulassen und den Tag zu verdösen. Nun, stellen wir uns einmal vor, einer von ihnen ist dort. Er bemerkt, daß die Tür nur angelehnt ist. Er schlüpft hinein und sieht Sankey dort sitzen, vielleicht war er eingeschlafen, mit dem Rücken zur Tür. Er schleicht sich den Grasweg hinauf, vom Hause aus nicht zu sehen, in der Hoffnung, etwas zu stibitzen – Uhr, Zigarettenetui, dergleichen. Als er vorsichtig die Sachen mustert, die auf dem Steintisch neben Sankey liegen, rührt sich dieser. Der Landstreicher ergreift den erstbesten Gegenstand, den er zu fassen bekommt, das Papiermesser. Dann hätte Sankey seinen linken Arm ausgestreckt, um den Eindringling festzuhalten, und dieser hätte, beinahe gegen seinen Willen, auf Sankeys linke Brustseite eingestochen, er hätte das Herz getroffen, und dann hätte er sich ohne Aufhebens aus dem Staub gemacht. Auf die Spuren am Heft komme ich gleich noch, aber schon vorher hat sich diese ganze Theorie festgefahren und war durch einen merkwürdigen Umstand hinfällig geworden. Als ich zur Gartentür kam, stellte ich fest… na, kommen Sie, ich zeige es Ihnen.«
    Wir folgten dem kleinen Grasweg hinunter zur grünen Tür. Mr. M. und unser Führer fielen auf die Knie, als stünden sie vor einem Schrein. Ich hielt mich im Hintergrund und beugte mich hinab, denn das Knien schadet den Hosen. Doch ich sah und verstand alles, als unser Führer sagte: »Sehen Sie, da haben sich vertrocknete Blütenblätter und kleine Blätter in dem Schlamm festgesetzt, der beim letzten heftigen Regenschauer darangespritzt ist. Den letzten schweren Regen gab es hier vor zehn Tagen. Mindestens seit dieser Zeit ist die Tür nicht mehr geöffnet worden.«
    Das Argument war einleuchtend, und ich sah, wie Mr. M. nickte.
    Allerdings fügte er hinzu: »Aber sie hat es doch gehört?«
    »Ja«, antwortete der andere, »ich kann Ihnen vorführen, was sie zu hören glaubte, nun wo Sie mir beide bezeugt haben, daß die Tür schon seit längerem nicht mehr geöffnet wurde und unmöglich an jenem Tag geöffnet worden sein kann.«
    Mit diesen Worten erhob er sich, zog einen Schlüssel aus der Tasche und steckte ihn ins Schloß. Mit einem Ruck öffnete sich das Schloß, und mit einem weiteren Ruck zog er die Tür auf, die, als wolle sie protestieren, ein ärgerliches Quietschen von sich gab. Alle hoben wir den Blick. An der Oberseite war sie mit einer altmodischen Schließe versehen, fast wie eine zu groß geratene Maultrommel, eine Vorrichtung, wie man sie an alten Türen findet, um sie geschlossen zu halten, wenn sie zugeworfen werden.
    »Das war es also, was Jane hörte?« fragte Mr. M.
    »Was sie zu hören glaubte«, wurde er verbessert.
    »Ah, aber warum hat sie dann überhaupt aufgeblickt? Was hat ihre Aufmerksamkeit erregt?«
    »In Wirklichkeit hat sie zuerst etwas gesehen, und dann, als sie mißdeutete, was sie sah,
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