Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
Vom Netzwerk:
Grundbücher, Mieten und Kleinanzeigen mir meine bedingungslos anerkennende Stimmung mit Verkaufsargumenten wie >interessante Anlage< und >pittoreske Atmosphäre« halb wieder verderben würde. Doch wie groß war meine Überraschung, ja mein Entsetzen, als das, was er tatsächlich sagte, sich als so unangemessen erwies, daß im Vergleich dazu die abgegriffensten Klischees des aufdringlichsten Immobilienhändlers angemessener erschienen wären – und trostreicher! Was er sagte, war nicht nur in hohem Maße beunruhigend, sondern überdies durch und durch unvereinbar mit allem, was von einem Grundstücksmakler zu erwarten man ein Recht hat. Mir war, als versänke ich in einem jener Alpträume, in denen Kommoden sich allmählich in schwatzhafte und gefräßige Drachen verwandeln.
    »Hier lag die Leiche. Als er sich erstach, stürzte er natürlich zu Boden.«
    Mr. Mycrofts Frage »Sind Sie sich Ihrer… Diagnose sicher?« beantwortete dieser sich so durch und durch unangemessen benehmende Mensch nicht.
    Ein weiterer Ton des Abwegigen und Bedrohlichen kam hinzu, weiter verdüsterte sich die Wolke, die so unvermittelt über meinem sonnigen Tag aufgezogen war, als die Stimme des wunderbar züchtigen und fleißigen Dienstmädchens die Geschichte aufgriff und sagte: »Verzeihung, Sir, Mr. Sankey – er wurde ermordet. Ich will nicht sagen, daß er ein Mensch war, den man geliebt oder bewundert hat, aber bei aller Achtung vor den Toten und allem Respekt gegenüber den Lebenden, er wurde ermordet, und ich weiß es. Und ich finde, daß man auf die Sicherheit der Lebenden bedacht sein sollte und ihnen nicht wider besseres Wissen und wider alle Vernunft erzählen sollte, daß es ein ganz gewöhnlicher Selbstmord war, wie ihn jeder von uns begehen kann, wenn er eine schwere Grippe hinter sich hat oder unglücklich verliebt ist.«
    Auf mich wirkte dieser Ausbruch verwirrend, doch auf die beiden anderen schien er keine solche Wirkung zu haben. Sie schienen so wenig überrascht wie Bileam, als sein Esel sprach, und ließen sich, um die Parallele zu diesem exzentrischen, wenn auch couragierten Propheten noch weiter fortzuführen, in eine leichtfertige Plauderei mit derjenigen ein, die sie so unvermittelt unterbrochen hatte.
    »Also, Jane«, sagte der Makler so lässig, als fordere er einen Kumpan vor dem Kamin dazu auf, eine Geschichte, die er erzählt, zu Ende zu bringen, »erläutern Sie dem Herrn hier Ihre Theorie.«
    »Von Theorien und solche Sachen, Sir, wenn ich so sagen darf, davon verstehe ich nichts. Das überlasse ich denen, die sich mit sowas auskennen – «, und damit warf sie Mr. M. einen Blick zu, der ihn, der ja mit Gewißheit bereits ihr Herz gewonnen hatte, auf ihre Seite bringen und den Rivalen schmähen sollte, der ihre Hoffnung auf einen aufregenden Mordfall als unbegründet abgewiesen hatte.
    Mit einem Schnaufen fuhr sie fort. »Ich vertrau’ auf meine fünf Sinne und nicht auf Theorien, und bis zum Jüngsten Tag wird mich nichts davon abbringen, nicht einmal der Jüngste Tag selbst, daß der arme Mr. Sankey – und so darf man ihn ja jetzt wohl nennen, ganz gleich was er war, bevor er ermordet wurde – daß der arme Mr. Sankey ermordet wurde, und nicht nur das – « und hier schien sie zu spüren, wie die Rolle der großen Tragödin mit all ihrem Prunk in greifbare Nähe gerückt war »sondern direkt hier vor meiner Nase sozusagen.«
    Mr. M.s erregten Ruf: »Wollen Sie damit sagen, daß Sie wirklich – denn wir haben es hier, wie Sie ganz richtig sagen, mit einer Tatsache zu tun und nicht mit Theorie – Zeugin des Mordes wurden?« quittierte sie, wie sie es, dessen bin ich gewiß, bei uns beiden anderen niemals getan hätte, mit einem kalten Lächeln des Triumphes.
    »Nein, aber so gut wie. So gut, als hätte ich den Mörder mit eigenen Augen eintreten sehen und mit eigenen Ohren gehört. Ich war dabei, oben im Eßzimmer, durch das ich Sie eben geführt habe. Ich deckte eben für das Mittagessen des armen Mr. Sankey auf und war gerade am Fenster, da hörte ich plötzlich, wie die Gartentür quietschte oder knarrte. Ich werde es Ihnen gleich selbst vorführen, wenn ich mir gestatten darf, das vorzuschlagen, und kein Öl der Welt wird sie jemals davon abhalten, das kann ich Ihnen versichern. >Verflixt und zugenäht«, sage ich zu mir selbst, >da kommt der Müllmann, um die abgeschnittenen Zweige zu holen.««
    »Was für Zweige?« fragte Mr. Mycroft mit seiner merkwürdigen Vorliebe, weitschweifige Redner zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher