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Das Geheimnis der Eulerschen Formel

Das Geheimnis der Eulerschen Formel

Titel: Das Geheimnis der Eulerschen Formel
Autoren: Yoko Ogawa
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äußerst selten vor. Fermat und Descartes haben jeder nur ein Paar gefunden. Es sind Zahlen, die mittels einer göttlichen Fügung miteinander verknüpft sind. Finden Sie es nicht großartig, dass Ihr Geburtstag und die eingravierte Zahl auf meiner Armbanduhr auf diese wunderbare Weise miteinander verbunden sind?«
    Hingerissen starrten wir noch eine Ewigkeit auf den Werbeprospekt. Ich ging die Zahlenreihen durch, die der Professor und ich notiert hatten und die ineinanderflossen, als würden sich Millionen von funkelnden Sternen am Nachthimmel vereinen.

2
    An diesem Abend beschloss ich, nachdem ich meinen Sohn zu Bett gebracht hatte, auf eigene Faust nach befreundeten Zahlen zu suchen. Ich wollte mich davon überzeugen, dass derartige Paare wirklich nur selten auftraten, so wie der Professor es gesagt hatte. Da es nur darum ging, Teiler aufzuschreiben und diese zu addieren, traute ich mir dieses Vorhaben zu, obwohl ich die Oberschule vorzeitig abgebrochen hatte.
    Doch allzu bald wurde mir klar, auf was für ein waghalsiges Unterfangen ich mich da eingelassen hatte. Ich vertraute dem Rat des Professors, folgte meiner Intuition und wählte scheinbar passende Zahlenpaare, scheiterte jedoch jedes Mal.
    Zuerst probierte ich es nur mit zweistelligen geraden Zahlen, da mir hier die Wahrscheinlichkeit größer erschien, auf befreundete Paare zu stoßen, und weil die Teiler dieser Zahlen leichter auszumachen waren. Dann erweiterte ich meine Suche auf ungerade und später auf dreistellige Zahlen, blieb aber nach wie vor erfolglos. Weit davon entfernt, Freundschaft zu schließen, schienen diese Zahlen sich eher voneinander abzuwenden. Es tauchte nicht mal ein Paar auf, das sich wenigstens mit den Fingerspitzen berühren wollte.
    Der Professor sollte also recht behalten. Mein Geburtsdatum und seine Armbanduhr haben sich letzten Endes im riesigen Meer der Zahlen gefunden und eine innige Freundschaft geschlossen.
    Schon bald war mein Zettel vollgekritzelt mit lauter nichtssagenden Zahlen. Meine Methode war zwar nicht sonderlich überzeugend, aber immerhin logisch, doch am Ende hatte ich nichts vorzuweisen.
    Nur eine unbedeutende Entdeckung war mir gelungen. Wenn man die Teiler von 28 addierte, ergab die Summe ebenfalls 28.
    28 : 1 + 2 + 4 + 7 + 14 = 28
    Ich wusste natürlich nicht, ob das etwas zu bedeuten hatte. All die anderen Zahlen, die ich ausprobiert hatte, waren nicht identisch mit der Summe ihrer Teiler, was aber nicht heißen konnte, dass es solche nicht gab. Eigentlich war es lächerlich, in diesem Fall hochtrabend von einer Entdeckung zu sprechen, aber für mich war es so
:
Ich hatte eine Entdeckung gemacht.
    Diese eine Reihe zog sich inmitten eines sinnlosen Chaos über das Blatt, als hätte sie einen eigenen Willen. Sie strotzte so vor Kraft, dass es schmerzhaft gewesen wäre, hätte man sie berührt.
    Als ich zu Bett ging, schaute ich auf die Uhr. Seitdem ich mit dem Professor über befreundete Zahlen gesprochen hatte, waren bereits weit mehr als achtzig Minuten vergangen.
    Obwohl befreundete Zahlen für einen Mathematiker wie ihn eine simple Tatsache sein mussten, hatte sich der Professor davon so begeistern lassen, als hätte er deren Schönheit zum ersten Mal wahrgenommen. Er war ein Vasall, der vor dem König auf die Knie fällt.
    Aber leider hatte er vergessen, dass es zwischen uns das Geheimnis befreundeter Zahlen gab. Er würde sich kaum mehr daran erinnern können, in welchem Zusammenhang die Zahl 220 aufgetaucht war. Bei diesem Gedanken fiel es mir schwer einzuschlafen.
    Die Hausarbeit beim Professor war, gemessen am normalen Arbeitspensum, eher angenehm: eine kleine Wohnung, keine Besucher oder Anrufe und nur leichte Mahlzeiten für einen bescheidenen Esser wie ihn, der obendrein kein Gourmet war. Meine früheren Arbeitgeber hatten immer von mir verlangt, in kürzester Zeit möglichst viel zu erledigen, aber jetzt war ich froh, meine Arbeit – Putzen, Waschen und Kochen – endlich einmal gründlich verrichten zu können. Ich konnte nach Herzenslust den Esstisch mit einer speziellen Politur behandeln und den Futon ausbessern. Schnell lernte ich darauf zu achten, wann der Professor sich wieder mit einem Preisausschreiben befasste, um ihn keinesfalls dabei zu stören. Außerdem legte ich mir einen Plan zurecht, wie ich Karotten in seine Mahlzeiten schmuggeln konnte.
    Die schwierigste Aufgabe war jedoch nach wie vor, zu verstehen, wie das Gedächtnis des Professors funktionierte. Wenn, wie die Witwe sagte,
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