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Das Geheimnis der chinesischen Vase

Das Geheimnis der chinesischen Vase

Titel: Das Geheimnis der chinesischen Vase
Autoren: Stefan Wolf
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das Aufhängen
eines Posters. Erst musste ein Nagel in die Wand. Sieh dir seine Daumen an.
Beide sind blau und passen kaum in die Hosentaschen.«
    »Ihr dürft euch auf meinem
Teppich niederlassen«, erklärte Gaby. Und die Jungs folgten der Einladung.
    Es war früher Nachmittag. Der
Wind peitschte Regen durch die Straßen der Innenstadt. Vermummte Fußgänger
waren unterwegs und sehr viele Autos. Im Flur hatten die Jungs ihre Regenjacken
an die Garderobe gehängt. Kommissar Glockner hatte Dienst im Präsidium und
Gabys Mutter war — wie so oft — unten in ihrem kleinen Feinkostgeschäft.
    Tim hockte im Schneidersitz und
wischte sich ein paar Regentropfen aus dem Gesicht. Aus den Augenwinkeln
beobachtete er seine Freundin. Pfote wird jeden Tag schöner, dachte er. Wohin
soll das noch führen?
    »Ich komme zur Sache«, sagte er
dann ohne Einleitung. »Für die Dezemberausgabe unserer Schülerzeitung fehlt
noch der kulturelle Beitrag. Laienbühne, Dichterlesung, Fotowettbewerb — hatten
wir alles schon. Jetzt brauchen wir ein Thema, das wirklich jeden interessiert.
Und dazu habe ich ‘ne Idee.«
    Auch Gaby hatte sich mit
untergeschlagenen Beinen auf den Teppich gesetzt — nicht ohne ihn ein bisschen
zu streicheln.
    »Und wann ist dir das eingefallen?«,
fragte sie. »Bis zur sechsten Stunde«, sie meinte den Vormittagsunterricht,
»hattest du nämlich noch keine Idee.«
    »Beim Mittagessen«, nickte Tim.
»Heute gab’s indischen Fisch, obwohl keineswegs Freitag ist. Es handelte sich
auch nicht um Fisch aus Indien, sondern um eine indische Zubereitung. Mit
orientalischen Gewürzen. Vor allem Curry. Irgendwem in der Küche ist dabei die
Hand ausgerutscht. Jedenfalls waren Fisch und Reisbeilagen so sauscharf, dass —
also den meisten liefen die Tränen. Klößchen hat trotzdem drei Portionen
vertilgt. Jetzt hat er innerlich Feuer. Sei’s drum. Aus dem indischen Curry
wurde meine Idee geboren, denn Karl hatte ja die Studentin nur kurz erwähnt.«
    »Ich verstehe kein Wort«, sagte
Gaby.
    »Du warst auch nicht dabei, als
Karl das erzählt hat. Dass sich nämlich bei seinem Vater«, bekanntlich handelt
es sich um den Mathe- und Physikprofessor Albert Vierstein, »für dieses
Semester eine Studentin aus Indien eingeschrieben hat: Indira Varanasi. Sie
studiert Mathe nur aus Interesse, studiert hauptsächlich europäische
Kunstgeschichte und Kulturwissenschaft. In Orientalistik (Orientalische
Sprachen und Kulturen) hat sie schon einen Abschluss. Ihre Examensarbeit
hieß >Dolche des Orients« Und das hat mich umgefetzt. Denn diese kurzen
Blankwaffen sind ja nicht nur historische Meuchelinstrumente, sondern auch
bewunderungswürdige Kunstwerke. Deshalb habe ich mir das Thema angeeignet. Wir
werden ein Feature ( Dokumentarbericht )l machen über diese herrlichen
Käsemesser.«
    Gaby rümpfte die Nase. »Finde
ich schrecklich.«
    »Wieso?«
    »Du hast es selbst gesagt:
Meuchelinstrumente. So was sollte man strafen, indem man’s gar nicht beachtet.«
    »Es sind Kunstwerke, Pfote.«
    »Orientteppiche sind
Kunstwerke.«
    »Die meisten werden hergestellt
durch Kinderarbeit. 16 Stunden am Tag. Und als Lohn eine Schüssel Reis.«
    »Da hast du leider Recht.«
    »Obwohl’s auch Waffen sind«,
meinte Karl, »halte ich
    Dolche für sympathischer als
Nuklearbomben und chemische Massenvernichtungsmittel. Diese Horrorerfindungen
könnte man noch so sehr verzieren — sie bleiben Teufelswerk. Die meisten
kunstvollen Dolche hingegen haben nie einen Tropfen Blut gerochen.«
    Tim nickte. »Uns interessiert
die Kunst des Handwerkers. Okay, Pfote?«
    »Meinetwegen.« Gaby lächelte.
»Vielleicht gibt’s einen klitzekleinen Dolch, den ich mir ans Bettelarmband
hängen kann.«
    Tim sah zur Uhr. »Hab schon
telefoniert mit Indira Varanasi. Sie erwartet uns. Und wollte wissen, ob wir
Tee trinken. Ist unsere Droge, habe ich gesagt, und indischer Tee sowieso erste
Wahl.«
    »Bei diesem Wetter«, lachte
Gaby, »ist Tee eine Wonne.«
    »Ich muss noch was nachtragen«,
meldete sich Karl zu Wort. »Indira ist nämlich nicht irgendeine Inderin,
sondern entstammt dortigem First-Class-Adel. Ihr Vater war ein Großfürst, also
ein Maharadscha, die Mutter eine Maharani. Die beiden leben nicht mehr, haben
aber Indira ein riesiges Vermögen hinterlassen. Indira hat nun —
gesinnungsmäßig — von jetzt auf sofort ihre Herkunft abgestreift. Sie denkt
modern. Hat keinen Titel, keinen Schnickschnack, keine Sonderrechte. Das meiste
Vermögen hat sie für
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