Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der chinesischen Vase

Das Geheimnis der chinesischen Vase

Titel: Das Geheimnis der chinesischen Vase
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
Nachlass
habe ich das hier gefunden. Könnten Sie mir die Vase beleihen? Ich brauche
dringend 50 Mark.«
    Er hatte seine abgeschabte
Leinentasche geöffnet und nahm eine chinesische Vase heraus.
    Reichert spürte, wie ihm das
Blut in den Kopf schoss.
    Nein!, dachte er. Das kann
nicht... das ist nicht...
    Ruhig, Junge! Keine Miene
verziehen! Lass dir, um Himmels willen, nichts anmerken!
    »Porzellan! Porzellan!
Porzellan!«, stöhnte er. »Alle Welt bringt mir Porzellan. Ich ertrinke darin,
Herr Schaudig! Mir kann«, er lachte fettig, »nur noch ein Erdbeben helfen.«
    Schaudigs Haltung wurde
demütig.
    »50 Mark, Herr Reichert!«, murmelte
er. »Bitte!«
    Reichert nahm die Vase in beide
Hände. Scheinbar gelangweilt betrachtete er sie.

    Dass seine Hände nicht
zitterten, war ein Wunder, denn sein Herz hämmerte wie wild.
    Auf seine Unfehlbarkeit als
Kunstkenner hielt er sich was zugute. Mit Recht! Geirrt hatte er sich noch nie.
    Und was er hier vor sich hatte,
war eine Ming-Vase.
    Garantiert vor 1400 entstanden.
Der derzeitige Wert lag ungefähr bei einer halben Million. Vermögende Sammler
würden sich die Finger bis zum Ellbogen lecken.
    »50 Mark, Herr Schaudig,
erscheint mir zu viel. Sie ist zwar recht hübsch, aber wertlos. Sie lösen sie
ja doch nicht aus, wie ich Sie kenne.«
    Schaudig senkte den Kopf. Weil
er befürchtete, die Verschlagenheit in seinen Augen könnte aufleuchten.
    »Ich brauche die 50 Mark, Herr
Reichert«, sagte er leise.
    »So was kauft niemand. Ich
werde darauf sitzen bleiben und habe 50 Mark verloren.«
    Er blickte zum Eingang, wo ein
neuer Kunde auftauchte.
    Er war nicht so nachlässig
gekleidet wie die Mehrzahl der anderen, ziemlich feist und gepflegt. Er trug
ein Paket unterm Arm. Grüßend trat er näher.
    »Bitte, Herr Reichert!«, sagte
Schaudig. »Ich brauche das Geld.«
    Mit leichter Unruhe bemerkte
Reichert das Interesse des neuen Kunden.
    Fasziniert betrachtete der die
Ming-Vase.
    Und mit einem: »Darf ich mal
sehen?« griff er danach.
    Unter Reicherts Achseln brach
der Schweiß aus.
    »Farbig recht hübsch«, meinte
der Fremde. »Ich habe eine ähnliche zu Hause. Diese wäre ein passendes
Gegenstück.«
    »Wollen Sie sie kaufen?«,
fragte Schaudig rasch. »Hundert Mark — und sie gehört Ihnen.«
    Reicherts Herzschlag setzte
aus.
    Dieser Hund!, schoss es ihm
durch den Kopf. Der weiß, was das ist! Dieser Gauner! Betrüger! Er wird sie
kaufen — und ich kann nichts dagegen tun. Nichts! Plump würde ich mich
verraten, wenn ich jetzt plötzlich einen Preis biete. Verflucht!
    »Na, gut!«, sagte der Fremde.
»Leisten kann ich’s mir nicht. Aber ich bin so ein Dummkopf! Lieber hungere
ich, als dass ich auf schöne Blickpunkte in meiner Wohnung verzichte. Bitte!«
    In seinem Portmonee suchte er
das Geld zusammen.
    Das letzte Geld: einen 50er und
vier Zehner, den Rest in Münzen, die er Schaudig in die Hand zählte.
    Danach blieb dem Mann noch ein
einziges Markstück.
    Schaudig bedankte sich, nickte
Reichert zu und verließ eiligst die Pfandleihe.
    Irgendwie schien er sich
schuldig zu fühlen — jedenfalls erweckte er den Eindruck bei Reichert. Immerhin
hatte er, Schaudig, ein Bombengeschäft gemacht. Statt der 50 Mark sogar 100
erzielt.
    Der Fremde stellte die Vase
beiseite, wickelte sein Paket aus und bot dem totenbleichen Reichert einen
24-teiligen Besteckkasten an.
    Es war Tafelbesteck aus purem
Gold und mindestens 10 000 Mark wert.
    Reichert war so wütend, dass er
nur 2000 bot.
    Sie feilschten eine halbe Stunde
und einigten sich auf 3000 Mark.
    Dann zog der Fremde mit seiner
Ming-Vase ab.
    Aber Reichert hatte nicht nur
den Pfandzettel ausgeschrieben, sondern auch Namen und Adresse notiert.
    Du wirst dich nicht lange an
der Vase erfreuen, dachte er. Dich werde ich ungebeten besuchen. Und zwar heute
Nacht.

12. Die große Überraschung
     
    Während der großen Pause hatten
sie Klößchen besucht. Er faulenzte immer noch auf der Krankenstation und sah
aus wie das blühende Leben. Er meinte, ein bis zwei Tage dieser Art sollte man
jede Woche einschieben. Aber das wäre ja leider nicht möglich.
    In der nächsten Pause standen
sie auf dem Hof und steckten die Köpfe zusammen: Gaby, Tarzan und Karl.
    »O weh!«, sagte Gaby, nach
einem Blick über Tarzans Schulter. »Dieter Kisch nähert sich. Mit
Chefredakteurs-Miene. Sicherlich wird er uns an die Wette erinnern, die wir
sowieso verlieren.«
    »Was heißt: verlieren?«,
schnappte Tarzan. »Nachher rufe ich unseren Detektiv Hempel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher