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Das Geheimnis der chinesischen Vase

Das Geheimnis der chinesischen Vase

Titel: Das Geheimnis der chinesischen Vase
Autoren: Stefan Wolf
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mal gespielt, »... wäre alles weg gewesen. Dann, Max... Ich
glaube, ich hätte mich umgebracht.«
    »Um Gottes willen! Sag so was
nicht, Schatz! Hat der Junge den Räuber festgehalten?«
    »Leider nicht. Der Verbrecher
ist entkommen. Durch meine Schuld.«
    Sie erzählte, was es noch zu
sagen gab.
    Schaudig erging sich in
trostreichen Worten. Es klang, als rede er vom Wetter.
    »Ich muss aufhören, Max.«
    »Ich rufe dich an.«
    »Ja, bis später.« Sie legte
auf.
    Hm. Dann war dieser Bengel wohl
doch zufällig in der Lindenhof-Allee aufgetaucht. Verdammtes Pech! Andererseits
war der Gedanke beruhigend.
    Er bezahlte 50 Pfennig für das
Gespräch und ging zum Tisch zurück, wo der plattfüßige Wirt, der hier auch
kellnerte, eben den Mokka servierte. Die Würstchen kämen gleich, meinte er.
    Schaudig berichtete. Der Boss
nickte und suckelte andächtig an seiner Zigarre.
    »Na, wenn’s so ist, können wir
unsere Rache noch ein bisschen aufschieben. Im Moment haben wir Wichtigeres
vor. Aber sobald das erledigt ist, kaufen wir uns diesen Bengel. Dem wird es
noch Leid tun, dass er uns das Lösegeld vermasselt hat.«
    Einen Moment schwiegen sie.
    Dann sagte Schaudig: »Und du
meinst wirklich, dass Reichert uns ins Netz geht? Ich kenne ihn zwar recht gut
— von meinen zahlreichen Besuchen bei ihm, immer wenn ich knapp bei Kasse war.
Trotzdem — ein Urteil über ihn würde ich mir nicht anmaßen.«
    Der Boss grinste. »Persönlich
kenne ich den Herrn Pfandleiher nicht. Aber ich weiß alles über ihn. In seiner
Jugend hat er Hunderte von Einbrüchen abgezogen, ist aber nie erwischt worden.
Hat das Geld im Ausland angelegt und später noch mehr Kohle gemacht. Nämlich
als Hehler. War spezialisiert auf schwer verkäufliche Beute: auf Kunstwerke
aller Art, Gemälde, Statuetten (kleine Standbilder), antiken Schmuck und
— das ist es, Schaudig! — Porzellan! Auf dem Gebiet ist er Kenner. Der weiß
genau, welches Fläschchen, Tässchen, Kännchen oder Tellerchen ein Vermögen wert
ist. Der — du wirst es erleben — entschlüsselt das Geheimnis unserer chinesischen
Vase sofort. Deshalb werden wir ihn reinlegen.«
    »Schön und gut. Aber woher
willst du wissen, ob er dann wirklich den Einbruch wagt?«
    »Weil seine Gier
unbeschreiblich ist. Der lässt sich doch nicht eine halbe Million durch die
Finger flutschen, wenn er sie im Handumdrehen kriegen kann. Mit einem Einbruch
nämlich. Also auf einem Gebiet, wo er immer noch Spitze ist. Auch wenn er lange
nicht mehr geübt hat. Aber schließlich — in meine Bude kommt man leicht rein.«
    »Und dann, glaubst du, haben
wir ihn im Sack.«
    »Allerdings, Schaudig. Dann
wird er uns entschädigen für alles, was uns Eichbergs und die Hübner schuldig
geblieben sind... äh... ja, so will ich’s mal ausdrücken. Für Reichert gibt es
dann nur zwei Möglichkeiten: Entweder er wandert ab in den Knast. Oder er macht
auf seinem Schweizer Konto ein sechsstelliges Sümmchen locker. Für uns! Und
genau das wird er tun. Denn im Knast würde er krepieren.«
    Schaudig trank seinen Mokka.
Die Würstchen hatten eine Pelle wie Leder. Von dem sauren Kartoffelsalat probierte
er nur. Der schmeckte ja grässlich.
    »So, dann wollen wir mal!«,
sagte der Boss.
     
    *
     
    Es war später Vormittag, kurz
vor Geschäftsschluss.
    Der Pfandleiher Josef Reichert
stützte sich auf den Tresen und musterte den Plunder in seinen Regalen.
    Ein mieser Tag war das gestern
gewesen. Wegen der miesen Kunden. Betuchte Leute, die nur vorübergehend in
Druck waren, kamen eben nicht in sein Leihhaus. Wer zu ihm kam, waren schräge
Typen wie dieser Hungerleider Max Schaudig, der jetzt durch die Tür trat.
    »Guten Tag, Herr Reichert!«
Schaudig grinste dümmlich.
    »Hallo, Schaudig! Was wollen
Sie denn heute verkaufen?«
    »Beleihen! Nicht verkaufen,
Herr Reichert.«
    Das sagst du jedesmal!, dachte
Reichert. Aber was du auch bringst — noch nie hast du was zurückgeholt. Als ob
du jemals was auslösen könntest! Möchte wissen, was du arbeitest, Hampelmann!
Falls du überhaupt weißt, was das ist.
    Reichert war ein drahtiger
Graukopf, der trotz der vielen Falten im Gesicht nicht verbraucht wirkte,
sondern zäh und sprungbereit. Er bewegte sich elastisch und hielt sich für
ungemein schlau.
    »Mein Onkel ist gestorben«,
behauptete Schaudig. »Ist sehr schade...«
    »Herzliches Beileid!«, sagte
Reichert gelangweilt.
    »Danke. Er war alt. Ist über 50
Jahre zur See gefahren. War ein richtiger Weltenbummler. In seinem
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