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Das Geheimnis der chinesischen Vase

Das Geheimnis der chinesischen Vase

Titel: Das Geheimnis der chinesischen Vase
Autoren: Stefan Wolf
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breitete
sich über das Internatsgelände. Im Park färbten sich die Laubbäume bunt. Auf
den Telefon- und Leitungsdrähten sammelten sich schon verdächtig viele
Zugvögel. Sie palaverten (beraten) laut, als müsse noch abgestimmt
werden über die Reiseroute in den Süden.
    Gaby deutete auf eine Galerie
hübscher Schwalben: »Flügel müsste man haben.«
    »Mir gefällst du so besser«,
sagte er, ohne die Tragweite dieses Ausspruchs zu bedenken.
    »Ach, wirklich?«
    Unter dem leuchtenden Blick
ihrer Blauaugen stieg ihm etwas zu viel Blut ins Gesicht. Wieder mal. Er
verfluchte das.
    Um abzulenken, sagte er rasch:
»Diesen Hempel müssen wir rumkriegen.«
    »Ich glaube, mit der Wette
haben wir uns auf was eingelassen.«
    »Ich wollte dich raushalten.«
    »Glaubst du, ich lasse dich
hängen? Auf dem ganzen Betrag. Wenn wir Pech haben und Hempel sich bockbeinig
stellt, ist es eben geteiltes Leid. Ich meine: Dann stottern wir beide 50 Mark
ab.«
    »Eben warst du noch ganz
zuversichtlich, Pfote.«
    »Mich hat Dieters Art geärgert.
Der weiß alles besser. Und was er nicht schafft, schafft keiner. Denkt er. Als
wäre uns nicht zuzutrauen, dass wir mehr erreichen als er.«
    Tarzan lachte. »Aus demselben
Grund habe ich die Herausforderung angenommen. Wir sind wirklich ein Herz und
eine... äh... ich meine: zwei Seelen und ein Gedanke.«
    »Dass du eine Seele hast,
bestreite ich. Und meine Gedanken gehen dich gar nichts an.«
    Sie lachte, wurde ein bisschen
rot und sah interessiert einem Sperling zu, der in einem Butterbrotpapier eine
Orgie (wildes Gelage) feierte.
    Würde zu gern wissen, dachte
Tarzan, weshalb sie eben errötet ist. Aber das werde ich wohl nie ergründen.
    Es war jetzt die sechste
Stunde, eine Freistunde. Im Klassenzimmer warteten Klößchen und Karl.
    Karl las in einem
wissenschaftlichen Werk, das außer ihm nur der Verfasser verstand.
    Klößchen hatte das Kinn auf die
Bank gelegt. Die Arme ließ er lahm neben den Knien herabhängen.
    »Ist dir übel?«, fragte Tarzan.
    »Wieso? Ich entspanne mich.«
    »Wovon denn? Du hast doch den
ganzen Vormittag geschlafen.«
    Klößchen verzog sein
Mondgesicht, als hätte er in verschimmelte Schokolade gebissen. Gaby lachte und
Karl klappte sein Buch zu. Hinter seiner Nickelbrille sah er richtig
durchgeistigt aus.
    Gaby erzählte, was die
Besprechung mit Dieter Kisch ergeben hatte.
    »Wenn alle Stricke reißen«,
meinte Klößchen, »klaue ich im Kaufhaus ein paar Tafeln Schokolade. Ich lasse
mich erwischen und ihr habt euren Fall.«
    »Der gibt menschlich nichts
her«, sagte Tarzan ungerührt. »Du klaust nicht aus Not, nicht aus
Abenteuerlust, nicht aus falsch verstandenem Mut, nicht aus Protest (Einspruch) gegen hohe Schokoladenpreise oder was weiß ich — sondern du klaust aus
Verfressenheit. Und das kann jeder.«
    »Da will man sich opfern«,
Klößchen schüttelte seinen dicken Kopf, »heldenhaft opfern und wird nicht mal
als Dieb ernst genommen.«
    Gaby sagte: »Ich werde mir
Löckchen drehen und an Hempel Augenaufschläge ausprobieren. Vielleicht wird er
dann zugänglich.«
    »Kommt nicht in die Tüte!«,
gebot Tarzan mit herrischer Geste. »Solche Methoden sind würdelos. Und... äh...
wenn der Spinner dann denkt, er könnte sich was rausnehmen — müsste ich ihn
verkloppen. Nein! Bitte, ohne weibliche List.«
    »Und was schlägt deine
männliche List vor?«, lächelte Gaby.
    Tarzan rieb sich die Nase. »Wir
machen ihn an, indem wir ihn täuschen. Wir lassen ihn glauben, es wäre eine
Reportage über ihn. Über die verantwortungsvolle Aufgabe eines
Kaufhausdetektivs.«
    »Was macht der denn
eigentlich?«, fragte Klößchen.
    »Er fängt Diebe.
Beziehungsweise, er soll verhindern, dass geklaut wird.«
    »Dazu brauchte er 1000 Augen.
Himmel, wenn ich an die Schlussverkäufe denke! Wo Menschenmengen sich zwischen
den Verkaufstischen drängen, schubsen und anmosern. Da könnte man ein Klavier
raustragen — kein Detektiv würde es merken.«
    »Du weißt doch«, sagte Karl,
»dass überall — mehr oder weniger versteckt — Kameras angebracht sind. Sie
überwachen die Kunden. Und der Detektiv sitzt vor den Monitoren (Kontrollgeräten) und beobachtet, was vorgeht. Er überblickt die Lage in allen Stockwerken —
natürlich nicht jede Ecke.
    Deshalb wird ja immer noch
erfolgreich geklaut. Freilich: Das Risiko ist groß. Denn vielleicht, Willi, ist
die Kamera gerade auf dich gerichtet, während du dir ein Klavier unter die
Jacke schiebst.«
    Klößchen seufzte.
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