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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis
Autoren: Katherine Webb
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ich warte ja schon auf den Tod, seit wir auseinandergerissen wurden, mein Liebster. Es ist seltsam, dass die langen Jahre, die ich hier in England verbracht habe, oft verschwommen und wie im Flug vergangen scheinen. Ich kann mich nicht erinnern, was ich getan haben soll, um so viel Zeit auszufüllen – ich weiß es wirklich nicht mehr. Aber ich erinnere mich an jede Sekunde, die ich mit Dir verbrachte, Liebster. An jede kostbare Sekunde, in der ich Deine Frau sein durfte und wir zusammen waren. Ach, warum bist Du von mir gegangen? Warum bist Du an jenem Tag hinausgeritten? Ich habe es so oft nacherlebt. Ich sehe Dich in den Sattel steigen und versuche, die Erinnerung zu verändern. Ich rede mir ein, dass ich Dir nachgelaufen wäre, Dich gebeten hätte, nicht zu gehen, mich nicht zu verlassen. Dann wärest du nicht gestürzt, Du wärest nicht gestorben, und ich hätte all diese dunklen Jahre nicht ohne Dich verbringen müssen. Manchmal mache ich mir so überzeugend vor, ich sei Dir nachgeeilt und hätte Dich aufgehalten, dass es beinahe ein Schock ist, wenn ich dann erkennen muss, dass Du nicht mehr bist. Es schmerzt mich fürchterlich, doch ich tue es immer wieder.
    Ich habe etwas Entsetzliches getan, Corin. Etwas Unverzeihliches. Ich bin davor geflohen, doch ich konnte es nicht ungeschehen machen, und es hat mich seither all die Jahre lang verfolgt. Mein einziger Trost ist, dass ich mir selbst nie verziehen habe, und dieses Leben, das ich erdulden musste, war doch gewiss Strafe genug? Aber nein, für das, was ich getan habe, kann ich gar nicht genug bestraft werden. Ich bete darum, dass Du nichts davon weißt, denn wenn Du es wüsstest, könntest Du mich nicht mehr lieben, und das würde ich nicht ertragen. Ich bete darum, dass es keinen Gott gibt, weder Himmel noch Hölle, damit Du nicht auf mich herabschauen, nicht sehen konntest, welch ein Verbrechen ich begangen habe. Und ich könnte Dich niemals im Himmel wiedersehen, falls Du dort bist. Denn meine Seele würde zweifellos in die Hölle gehören, wenn ich erst gestorben bin. Aber wie hättest Du nicht in den Himmel kommen können, mein Liebster? Du warst schon ein Engel hier auf Erden. Die Zeit mit Dir war die einzige Zeit in meinem ganzen Leben, in der ich glücklich war, in der ich froh war, dass ich lebte, und seither war alles nur Staub und Asche für mich. Wie lange ruhst Du nun schon unter der weiten Prärie? Viele Jahrzehnte sind vergangen, seit ich Dich zuletzt gesehen habe. Die ganze Welt hätte vergehen und neu entstehen können, so unendlich lang war die Zeit seit unserer letzten Berührung.
    Ich wünschte, ich könnte Dich noch einmal sehen, bevor ich sterbe. Ein Teil von mir glaubt, dass dies nur gerecht wäre – wenn es auf der Welt fair zuginge, müsste es mir erlaubt sein, nur eine Sekunde lang Deine Umarmung zu spüren, zum Trost dafür, dass ich Dich so früh verloren habe. Ganz gleich, was ich im Wahn meiner Trauer getan haben mag, ganz gleich, wie sehr ich meinen Fehler seither immer noch verschlimmert habe – mein Leben verschlimmert habe. Ich würde mit Freuden eine Ewigkeit in höllischen Qualen auf mich nehmen, um Dich noch ein einziges Mal zu sehen. Doch das kann nicht sein. Ich werde sterben und vergessen werden, so wie Du gestorben bist. Aber ich habe Dich niemals vergessen, mein Corin, mein geliebter Mann. Was immer ich getan haben mag, ich habe Dich nie vergessen und Dich immer geliebt.
    Caroline
    In den Wochen, nachdem ich diesen Brief gefunden hatte, las ich ihn immer wieder. So lange, bis ich ihn auswendig kannte, und jedes Wort brach mir ein bisschen das Herz. So unendlich tiefe Reue und Trauer, dass sie einen sonnigen Tag trüben könnten. Wenn ich spüre, wie er Besitz von mir ergreift, wenn ich merke, dass ich zu viel davon in mich aufgenommen habe, denke ich an Beth. Ihr Verbrechen wird sie nicht länger verfolgen. Sie wird es nicht noch verschlimmern oder sich auf ewig vor Reue zerfleischen. Die Kette ist gebrochen, und ich habe dabei geholfen. Ich werde nie erfahren, was Caroline getan hat. Warum sie mit ihrem Baby nach England geflohen ist und es dann im Stich gelassen hat. Doch eines fällt mir auf, nachdem ich ihren Brief so viele Male gelesen habe: Sie erwähnt ihren Sohn mit keinem Wort. Wenn das ihr Kind war, und Corin sein Vater, weshalb erwähnt sie ihn dann nicht? Warum erzählt sie Corin nichts von seinem Sohn? Versucht zu erklären, weshalb sie ihn ausgesetzt hat? Das könnte das Verbrechen sein, von dem sie
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