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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis
Autoren: Katherine Webb
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Ich hole dich heraus, falls du reinfällst«, sagte Flag freundlich. Meredith hatte das Wort planschen noch nie gehört, glaubte aber, es zu verstehen. Ihre Finger zitterten von der Aufregung, gegen ein Verbot zu verstoßen. Sie setzte sich auf die rissige Erde und zog die Stiefel aus, dann näherte sie sich vorsichtig dem Rand des Wassers. Sie war ja nicht richtig ungehorsam, sagte sie sich. Niemand hatte ihr je verboten, zu planschen.
    Sie rutschte die letzten paar Handbreit das steile Ufer hinab und schnappte ängstlich nach Luft, als ihre Füße plötzlich im Wasser standen.
    »Ist das kalt!«, quietschte sie und wich hastig zurück. Maria kicherte.
    »Nur im ersten Moment. Dann ist es herrlich!«, sagte sie.
    Meredith rückte wieder vor und ging bis zu den Knöcheln ins Wasser. Die beißende Kälte drang ihr bis auf die Knochen und ließ silbrige Schauer über ihren Körper laufen. Mit einem Schrei nahm Flag Anlauf und sprang mitten in den Teich, wobei er die Knie anzog und die Arme darumschlang. Das gewaltige Platschen ließ eine Welle aufschwappen, die über Maria zusammenschlug und die untersten drei Handbreit von Merediths Kleid durchweichte.
    »Jetzt sieh dir an, was du gemacht hast!«, rief sie voller Sorge, dass Mrs. Priddy oder ihre Mutter es sehen und sie bestrafen würden.
    »Flag! Nicht«, mahnte Maria fröhlich, als er prustend wieder an die Oberfläche kam.
    »Das ist doch bald wieder getrocknet«, sagte Flag unbekümmert. Das Haar klebte ihm am Hals, so glatt wie Otterfell. Meredith stapfte ärgerlich aus dem Wasser, setzte sich ans Ufer und betrachtete ihre Füße, die nach dem Trocknen nicht mehr rosig, sondern weiß waren.
    »Flag – sag, dass es dir leidtut!«, befahl Maria.
    »Es tut mir leid, dass ich dein Kleid nass gemacht habe, Meredith«, sagte Flag und verdrehte dabei die Augen. Doch Meredith antwortete nicht. Sie blieb noch ein Weilchen sitzen und sah den beiden beim Schwimmen zu, doch ihre mürrische Gegenwart schien ihnen den Spaß zu verderben, denn bald stiegen sie aus dem Wasser und zogen sich wieder an.
    »Möchtest du mitkommen und einen Tee mit uns trinken?«, fragte Maria, aber ihr Lächeln war jetzt etwas weniger bereitwillig als zuvor. Flag hatte sich schon halb abgewandt. Wasser rann ihm aus den Haaren und durchweichte sein Hemd, sodass es an der Haut klebte. Meredith wollte ihn betrachten, doch ihre Augen gehorchten ihr nicht, und zu ihrem eigenen Ärger huschte ihr Blick jedes Mal davon, wenn sie es versuchte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Das darf ich nicht«, sagte sie.
    »Na, dann komm, Maria«, sagte Flag ungeduldig.
    »Also, auf Wiedersehen«, sagte Maria achselzuckend und verabschiedete sich mit einem kleinen Winken.
    Es dauerte fast zwei Stunden, bis der dicke Baumwollstoff ihres Kleides vollständig getrocknet war, und bis dahin hielt Meredith sich am äußersten Rand des Gartens auf, wo höchstens der Gärtner sie sehen konnte. Er war uralt und hatte kaum einen Blick für irgendetwas außer seine Kürbisse übrig. Sie dachte an ihr abenteuerliches Planschen, an Maria, die sie zum Tee eingeladen hatte, und an Flags nasses, glänzendes Haar, und jeder einzelne dieser Gedanken löste ein Kribbeln in ihr aus, das so gar nicht zu der Abneigung passte, die sie zuvor empfunden hatte. Sie stellte sich vor, wie es wohl wäre, zum Tee dorthin zu gehen, das Innere des Wagens zu sehen, den sie so oft aus dem Wald heraus beobachtet hatte, die blonde, freundliche Mutter kennenzulernen, die die Kinder umarmte und immer lächelte. Guten Tag, Mrs. Dinsdale, wie geht es Ihnen? Sie übte diesen Satz in heimlichem Flüsterton in der sicheren Abgeschiedenheit des Gewächshauses. Doch es ließ sich nicht leugnen, dass das ein gewaltiger Ungehorsam wäre. Und dass allein die Unterhaltung mit Flag und Maria bereits eine gewesen war, selbst wenn sie sich wegen des Planschens herausreden konnte. Allein der Gedanke daran, was passieren würde, wenn ihre Mama dahinterkäme, bedrückte sie von Neuem, und als sie zum Tee hereingerufen wurde, gab sie sich absichtlich still und gelangweilt, um ja nichts zu verraten.
    Tagelang ließen die Gedanken und Tagträume über die Dinsdales Meredith nicht mehr los. Sie begegnete so selten anderen Kindern – nur ihren Cousinen, die manchmal zu Besuch kamen, oder den Kindern von anderen Gästen, die aber nie lange blieben, sodass sie sie kaum richtig kennenlernte. Sie wusste, dass sie die Zigeuner verachten sollte, und sie wusste auch alles andere noch,
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