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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren
Autoren: Léo Malet
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Wenn er seinen
Ausschweifungen nicht bald ein Ende setzte, würde er sein ganzes Leben lang als
Zitronenpresse herhalten müssen. Jackie Lamour ausgeschaltet zu haben, nützte
da gar nichts. Dann sagte ich mir jedoch, daß das alles nicht mein Problem sein
sollte und es gut war, daß es solche Vögel wie Beaucher auf der Welt gab. Sonst
würde Erpressern und Privatdetektiven nichts anderes übrigbleiben, als in der
Fabrik zu arbeiten. Schon von dem Gedanken daran bekam ich schwielige Hände.
    Es war Punkt zehn, aber Beaucher ließ
sich nicht blicken. Die Frau führte mich in einen fensterlosen Raum, von dessen
Decke eine Birne herabhing und schummriges Licht verbreitete. Eine Art
japanischer Salon, der wohl früher einmal, als er noch weniger verstaubt war,
das Lachen und Fluchen von Seeleuten gehört hatte. Ich setzte mich und wartete,
Pfeife rauchend und in Gedanken versunken.
    Robert Beaucher war wirklich ein
komischer Heiliger! Als er mich zum ersten Mal sah, wäre er beinahe an die
Decke gegangen. Dann hatte er ohne ersichtlichen Grund laut losgelacht. Schien
mich wohl für einen schlechten Scherz zu halten. Und wenn ich es mir recht
überlegte, hatte er vielleicht auch allen Grund dazu. Vor ihm saß ein Mann in
Trenchcoat und Knickerbocker, mit Schlapphut und, zu allem Überfluß, einem
Schnäuzer. Ich glaube, dieser Schnäuzer hatte seinen Heiterkeitsausbruch
hervorgerufen. Ich ähnelte mehr einem klassischen Polypen als einem eleganten
Privatflic, Typ Villiod mit Cape, Wolfsblick und anderen Elementen eines
handgestrickten Sex-Appeals.
    Was den Schnäuzer betrifft, so lasse
ich ihn mir von Zeit zu Zeit gerne stehen. Erstens aus Faulheit, und zweitens
in dem frommen Wunsch, meinem Vater ähnlich zu sehen. Der hatte nämlich alten
Fotos nach zu schließen, der verzückten Damenwelt jener Zeit den Anblick eines
Schnurrbarts wie einer Fahrradlenkstange geboten und damit eine garantiert umwerfende
Wirkung erzielt. Wie sehr sich der weibliche Geschmack seither verändert hatte!
Diese Art Laune, auch wenn sie mein Beruf erforderte, gefiel Hélène Chatelain,
meiner Sekretärin, ganz und gar nicht. Und meine Klienten brachte sie zum
Lachen.
    Als Beaucher endlich erschien, lachte
er nicht mehr. Sein feistes Gesicht zeigte zwar keine Spuren meines Kinnhakens
— natürlich nicht! — , aber dafür seine Nase die der Bekanntschaft mit der
Möbelkante. Der Industrielle schien nervös und schlechtgelaunt. Vielleicht
stimmte die anglo-amerikanische Landung in Afrika nicht mit seinen persönlichen
politischen Überzeugungen überein.
    „Und?“ begann er ohne Einleitung.
„Haben Sie die Briefe?“
    „Hier sind sie.“
    Er riß mir das Päckchen mit dem
schwarzen Seidenband beinahe aus den Händen und machte sich fieberhaft daran,
die Liebesbeweise zu zählen.
    „Vollzählig“, versicherte ich ihm.
„Siebzehn an der Zahl. Wie Sie gesagt haben... Übrigens“, fuhr ich fort, „ich
wußte gar nicht, daß Sie Peter heißen. Ein hübsches Liebespseudonym. Peter...“
Die Briefe waren so unterzeichnet. „Peter... Peter Ibbetson.“
    Er runzelte die Stirn.
    „Sie haben sie gelesen?“
    Ich war drauf und dran, ihm zu
gestehen, daß ich mich obendrein dabei köstlich amüsiert hatte, beschränkte
mich jedoch darauf, professionell zu erklären, daß es unumgänglich gewesen sei,
mich von dem Inhalt des „Objektes“ zu überzeugen. Ich hätte doch nicht
riskieren können, die Ergüsse eines anderen Heißblütigen mitzunehmen...
    „Stimmt“, stimmte er mir zu.
    So ganz war er aber nicht davon
überzeugt.
    „Sie wissen doch“, beruhigte ich ihn
sofort, „ein Privatdetektiv ist so etwas wie ein Priester.“
    „Schon möglich“, unterbrach er mich,
„aber darum geht es nicht.“
    Er schob das Päckchen in eine seiner
Manteltaschen und zog aus der anderen mein Honorar in bar hervor. War mir
lieber als ein Scheck. Ich zählte die Scheine. Dann erkundigte ich mich nach
dem Befinden der kleinen Terpsichore, und es erstaunte mich nicht zu hören, daß
sie nach dem... Aufwachen einen fürchterlichen Krach geschlagen hatte.
    „Ich hoffe, ich habe sie nicht
ernsthaft beschädigt?“
    „Sie hat nur eine Beule.“
    „Und Sie?“
    „Es geht“, knirschte er.
    „Ich konnte Sie leider nicht
verschonen“, entschuldigte ich mich.
    „Das war mir wohl klar.“
    Ich lachte.
    „Sie haben Ihre Rolle sehr gut
gespielt. Nichteingeweihte hätten mich für Camera gehalten. Trotzdem“, brummte
ich, „für eine heimliche Aktion war das
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