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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus
Autoren: Sophie Hannah
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von jemandem verfolgt wurde, den sie nicht kannte, aus einem Grund, der nichts mit ihr zu tun hatte. Und, was hast du gesagt? ›Nein, ich will nicht, dass Connie stirbt‹? Oder: ›Ich gehe zur Polizei‹?«
    »Zur Polizei konnte ich nicht gehen. Ich … habe mein Bestes getan, sie hinzuhalten, indem ich …«
    Ich warte.
    Kit schlägt eine andere Richtung ein. »Es hätte sowieso nicht funktioniert«, verteidigt er sich. »Wer hätte uns schon einen derartig hohen Kredit gegeben, wenn wir Nulli verkauft und nichts mehr besessen hätten?« Will er sehen, ob ich mich traue, ihn einen Lügner zu nennen, oder hat er Melrose Cottage vergessen, weil ihm das gerade in dem Kram passt? Sie hätten ihren Kredit schon bekommen, er und Jackie – insbesondere, wenn der Käufer unserer Firma Kit für ein maßlos überhöhtes Gehalt als Geschäftsführer behalten hätte.
    »Ich musste so tun, als würde ich mitmachen, als würden wir es irgendwann durchziehen, wenn alle Details stimmten. Jackie hat das Planen genossen. Wir haben uns nicht mehr gestritten. Überhaupt nicht mehr. Manchmal dachte ich schon – hoffte ich –, dass das Ausarbeiten der Details sie für immer glücklich machen würde, dass sie es nie … weiterzuführen brauchte.«
    »Dein Ziel war es also, für Jackies immerwährende Glückseligkeit zu sorgen?«
    »Nein! Du verstehst nicht«, schluchzt Kit.
    »Doch«, sage ich. »Ich wünschte, ich täte es nicht, aber ich verstehe sehr wohl.«
    Ich sehe, wie er um Beherrschung ringt.
    »Jackie hätte mein Leben zerstört, wenn ich mich geweigert hätte. Sie hätte es gekonnt, und sie hätte es getan. Ich musste ihr irgendwas geben, an dem sie sich festhalten konnte. Ich habe sie nie geliebt, Con. Sie war eher wie eine … ich weiß nicht, wie eine Kollegin, der ich Loyalität schuldete. Aber sie hat mich geliebt – das habe ich nie bezweifelt. Weißt du, sie … hat fast zwei Stunden geweint, nachdem wir … mit dem Filmen fertig waren.«
    Redet er von dem virtuellen Rundgang?
    »Sie hat darauf bestanden, dabei meinen Ehering zu tragen – warum, wollte sie mir nicht erklären. Sie wiederholte immer wieder, dass das doch witzig wäre, aber das war nicht der eigentliche Grund. Wenn es so witzig gewesen wäre, warum ist sie dann zusammengebrochen, als ich ihn zurückverlangte? Ich fühlte mich schlechter dabei, ihr diesen Ring wieder abzunehmen, als …« Er presst die Lippen zusammen, wie um die Worte daran zu hindern, seinen Mund zu verlassen: als ich mich gefühlt habe, als ich sie erwürgte.
    »Und wie schlecht fühlst du dich, weil du eine unschuldige Familie abgeschlachtet hast? Wo auf deiner Bewertungsskala für Schuld liegt das?«
    »Wenn du dich dann besser fühlst, werde ich dir etwas verraten, das ich Jackie nie gesagt habe, nicht mal ganz am Schluss.« Kit ignoriert meine Frage. »Ich habe überlegt, ob ich es tun sollte, aber dann habe ich es gelassen. Es wäre rachsüchtig gewesen.«
    Ich wünschte, er hätte es ihr gesagt, was immer es war, wenn es sie verletzt hätte. Ich wünschte auch, er würde es mir nicht sagen, aber ich unternehme nichts, um ihn davon abzuhalten.
    »Die Adresse in meinem Navi.« Er hebt die Stimme, als fürchte er, ich könnte ihn sonst nicht hören. »Ich habe sie eingegeben.«
    »Das weiß ich.« Ich muss weinen, weil das alles hier so sinnlos ist – jetzt gesteht er etwas ein, das ich ihm seit sechs Monaten vorwerfe und das er immer abgestritten hat. »Ich habe es die ganze Zeit gewusst.«
    »Ich habe es mit Absicht getan«, sagt er. »Ich wusste, du würdest mein Auto nehmen, wegen des Schnees. Ich wollte, dass du darauf stößt, Con. Ich wollte, dass du mich aufhältst. Warum hast du mich nicht aufgehalten?«
***
    Ich habe die Gilpatricks nicht umgebracht. Ich habe sie nicht umgebracht. Es ist nicht meine Schuld, dass die Gilpatricks tot sind.
    Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, seit Kit und ich zuletzt ein Wort miteinander gewechselt haben. In meinem Kopf ist ein Loch, und ich weiß nicht, wo es endet. Die Fliegen surren immer noch. Der Gestank ist schlimmer geworden.
    Habe ich mir das nur eingebildet, oder hat Kit mir den Rest der Geschichte erzählt? Er wollte, dass es aufhörte, dass alles aufhörte. Und da ich ihm dabei nicht helfen konnte, hat er die Gilpatricks umgebracht – es war ihre Schuld, dass er sich in einer so misslichen Lage befand, folglich hatten sie es verdient. Hat Kit das gesagt, oder stelle ich mir vor, was er hätte sagen
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