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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus
Autoren: Sophie Hannah
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aufgab. »Es ist aus weißem Kalkstein erbaut. Glaubst du, Mutter hat sich ausgemalt, wie es wohl in Blut getaucht aussehen würde?« Als frischgebackene Hausbesitzer nannten Kit und ich unser Cottage »Melrose«. Inzwischen, nach all den Jahren, die wir hier leben, kennen wir es wie unsere Westentasche und nennen es nur noch »Mellers.«
    Was würde ein unvoreingenommener Beobachter von der Stickarbeit halten? Würde er glauben, Kit und ich seien so bescheuert, dass wir unsere Namen vergessen könnten und das Datum des Hauskaufs? Dass wir uns deshalb diese Stickerei als Gedächtnisstütze an die Wand gehängt hätten? Würde er darauf kommen können, dass es ein selbst gemachtes Einzugsgeschenk von Connies Mutter ist, und dass diese Connie es kitschig und total krass findet und hart darum gekämpft hat, es auf den Dachboden zu verbannen?
    Kit war es, der darauf bestanden hatte, dass wir es aufhängen, aus Loyalität gegenüber unserem Haus und meiner Mutter. Er meinte, unser Schlafzimmer sei der perfekte Platz dafür, da unsere Gäste es dort nicht zu Gesicht bekämen. Ich glaube, er nimmt das Stickbild gar nicht mehr wahr. Ich schon – jeden Abend vor dem Einschlafen und jeden Morgen beim Aufwachen. Es deprimiert mich aus einer ganzen Reihe von Gründen.
    Wenn jemand in unser Schlafzimmer spähte, würde er nichts von alledem sehen – nicht die Diskussionen, nicht die Kompromisse. Er würde Kits fehlenden Nachttisch nicht sehen oder das Bild, das ich gern über den Kamin gehängt hätte, wenn die grässliche Stickerei mit dem roten Haus nicht wäre.
    Was beweist, dass es einem gar nichts verrät, wenn man einen Blick in das Haus eines anderen wirft. Und somit hat auch das, was ich gleich tun werde, sobald Kit fest schläft, keinen Sinn. Eigentlich sollte ich einfach schlafen.
    So leise ich kann, schlage ich meine Seite der Decke zurück, steige aus dem Bett und schleiche mich auf Zehenspitzen ins zweite Schlafzimmer, das wir in ein Büro umgewandelt haben. Wir leiten unsere Firma von hier aus, was ein bisschen absurd ist, wenn man bedenkt, dass das Zimmer gerade mal sieben Quadratmeter groß ist. Wie unser Schlafzimmer hat es einen Kamin. Es ist uns gelungen, zwei Schreibtische hineinzuzwängen, einen Bürostuhl für jeden von uns und drei Aktenschränke. Als die Eintragungsurkunde von der Handelsregisterbehörde eintraf, kaufte Kit einen Rahmen und hängte das Dokument an die Wand gegenüber der Tür, sodass der Blick zuerst darauf fällt, wenn man den Raum betritt. »Das ist gesetzlich vorgeschrieben«, erklärte er, als ich mich darüber beklagte, wie uninspirierend und bürokratisch das wirke. »Die Urkunde muss im Hauptsitz des Unternehmens ausgehängt werden. Willst du etwa, dass Nulli sein Leben als Gesetzloser beginnt?«
    Nulli Secundus Ltd. Das bedeutet »unerreicht« oder »unübertroffen« und war Kits Wahl. »Damit fordern wir nur das Schicksal heraus und verurteilen uns zum Scheitern«, wandte ich ein, als wir besprachen, wie wir uns nennen sollten, denn ich stellte mir vor, wie viel schlimmer eine Insolvenz mit einem solchen Firmennamen sein würde. Mein Vorschlag war »C & K Bowskill Ltd.«. »Das sind doch unsere Namen!«, lautete Kits vernichtende Antwort, als wüsste ich das nicht. »Beweis doch mal ein bisschen Fantasie, um Himmels willen. Gründen wir das Unternehmen etwa, um pleitezugehen? Ich weiß ja nicht, wie du das siehst, aber ich persönlich will, dass es ein Erfolg wird.«
    Aus was hast du noch einen Erfolg gemacht, Kit? Von dem ich nichts weiß?
    Das ist lächerlich, Connie. Deine Lächerlichkeit ist unerreicht.
    Ich berühre das Touchpad meines Laptops, und er erwacht zum Leben. Die Startseite von Google erscheint. Ich gebe »Haus kaufen« in die Suchmaske ein, drücke die Enter-Taste und warte. Der erste Treffer ist Roundthehouses.co.uk, das sich zum führenden Immobilienportal Großbritanniens erklärt. Ich klicke die Seite an und denke dabei, dass die Roundthehouses-Leute eher Kits Denken anhängen als meinem: Sie machen sich keine Gedanken über die Demütigung, die eine Insolvenz für sie bedeuten würde.
    Die Seite lädt: Außenaufnahmen von zum Verkauf stehenden Häusern unter einem dunkelroten Band mit winzigen Bildern von Lupen darin, durch die körperlose Augenpaare blicken. Die Augen wirken unheimlich, fremdartig und erinnern mich an Menschen, die sich im Dunkeln verbergen, um einander auszuspionieren.
    Ist das nicht genau das, was du gerade auch tust?
    Ich gebe
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