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Das Frankenstein-Projekt (German Edition)

Das Frankenstein-Projekt (German Edition)

Titel: Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
Autoren: Robert C. Marley
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bestandenen Prüfung des Schwarzen Gürtels, meine Trophäen, mein Poster von Herr der Ringe ...
    Das alles hier hätte ein Albtraum sein sollen.
    Aber es war keiner. Es war echt. Und mit jeder Sekunde schlug mein Herz schneller. Mein Atem ging heftiger. Panik loderte in mir auf wie eine brennende Flamme.
    Wo war ich? Wo war meine Mom? Wo waren meine Eltern? Was passierte mit mir? Wie war ich hierhergekommen?
    Voller Entsetzen durchwühlte ich mein Gehirn, versuchte nachzudenken, aus dem Ganzen schlau zu werden, und fragte mich in all meiner Angst und Verwirrung: Was ist das Letzte, woran du dich erinnern kannst?

Ein ganz normaler Tag. Ein ganz normaler Septembertag – zumindest war es das, bevor der Wahnsinn anfing.
    An diesem Abend – der letzte, an den ich mich erinnern konnte – war ich in meinem Zimmer und machte wie üblich Hausaufgaben. Ich musste ein Geschichtsreferat zum Thema »Was ist die beste Staatsform?« schreiben – ein klassisches Mr-Sherman-Thema. Mr Sherman gab sich gerne radikal und forderte uns immer auf, »unsere Anschauungen zu hinterfragen« und »unkonventionell zu denken«. Es schien ihm nie in den Sinn zu kommen, dass manchmal die einfachste und naheliegendste Antwort die richtige sein könnte. »Was ist die beste Staatsform?« Am liebsten hätte ich meinem Aufsatz die Überschrift »Demokratischer Rechtsstaat, du Depp, was denkst du denn?« gegeben. Aber irgendwie dämmerte es mir, dass das wahrscheinlich nicht der beste Weg zu einer guten Note war.
    Als es auf 22:00 Uhr zuging, saß ich also am Computer und arbeitete meine Argumente aus. Ich schrieb darüber, dass Menschen das Recht auf Freiheit haben und auch darauf, ihre eigenen Staatsoberhäupter zu wählen. Darüber, dass Regierungschefs, die meinten, um jeden Preis das Sagen haben zu müssen, die glaubten, auf alles eine Antwort und irgendein supertolles System zu haben, das das Leben für jeden gerecht und perfekt macht – Leute wie Könige, Diktatoren und Kommunisten –, am Ende in ihrem Land immer für Chaos sorgen, allen vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben und diejenigen umbringen, die nicht mit ihrem Führungsstil einverstanden sind.
    Es war ein hartes Stück Arbeit, und es wurde auch dadurch nicht leichter, dass ich, während ich an meiner unsterblichen Prosa feilte, Josh Lerner – oder GalaxyMaster, wie er sich selbst im Netz nennt – auf dem Instant Messenger hatte. GalaxyMaster sah sich gerade eine alte Episode von Star Trek auf YouTube an und schickte mir jedes Mal eine Nachricht, wenn etwas Cooles oder Dämliches passierte. Also ungefähr alle zwei Sekunden. Außerdem konnte ich es selbst sehen, weil in der rechten oberen Ecke meines Monitors die gleiche Episode lief. Allerdings hatte ich den Ton leise gestellt, damit ich auch noch George Strait hören konnte, der aus meinem iPod-Dock trällerte.
    GalaxyMaster: Sieh dir diesen Felsen an! Voll Pappmaschee!
    BBelt1: Ich weiß, Josh, ich sehe es.
    GalaxyMaster: Oooh, er ist so schwer, ich kann ihn nicht hochheben. roflmayo!
    BBelt1: Josh, ich kann es sehen!
    GalaxyMaster: Diese Klingonenmaske ist so was von unecht!
    GalaxyMaster konnte manchmal ein ziemlicher Idiot sein. Außerdem hatte ich wegen ihm Mühe, die Unterhaltung mit Rick Donnelly auf dem Headset weiterzuführen. Ich hatte Rick angerufen, um ihm von meinem Streit mit Alex Hauser heute Abend zu erzählen, aber dann waren wir bei dem Geschichtsreferat gelandet. Rick hatte Sherman ebenfalls in Geschichte und wusste ganz genau, wie sehr Sherman unter Deppomanie litt. Aber Rick gehörte zu der Sorte Schüler, die ihr Fähnchen immer nach dem Wind drehen und sich ausrechnen, was der Lehrer wohl hören will. Also vertrat er in seinem Referat die Meinung, theoretisch sei der Kommunismus die beste Staatsform, er sei nur noch nicht richtig umgesetzt worden.
    »Das ist doch Quatsch«, sagte ich ihm. »Sie sollten ein Schild vor diesen Ländern aufstellen, wie bei McDonald’s oder so: ›Kommunismus: über 100 Millionen getötet‹«.
    »Hey«, sagte Rick. »Ich weiß nur, dass man mit Radikalismus bei Sherman ganz weit vorn liegt. Denk an die Noten, Alter. Denk an die Noten.«
    Ich lachte und schüttelte den Kopf. Dann schrieb ich weiter über die Vorzüge der Freiheit.
    Das war’s also mehr oder weniger – kurz vor zehn an einem normalen Mittwochabend im September. Ich schrieb mein Referat, chattete mit Josh, telefonierte mit Rick, guckte Star Trek auf YouTube und hörte Musik –
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