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Das flüsternde Haus: Eine Hommage an Edgar Allan Poe

Das flüsternde Haus: Eine Hommage an Edgar Allan Poe

Titel: Das flüsternde Haus: Eine Hommage an Edgar Allan Poe
Autoren: Christian Sidjani
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hinein.
    Jetzt kann ich behaupten, meine Werke seien so real wie das Leben. Keiner von euch wird das bezweifeln. Jetzt, da ihr mein Geheimnis kennt. Aber wisst ihr, warum ich nicht im Gefängnis landen werde, obwohl ich heute so geständig bin? Weil keiner von euch mir Glauben schenkt und auf die Idee käme, meine Geschichte zu überprüfen. Ob ich im Tierschutzverein war und ob meine Frau im Koma liegt und wo ihr Wochenendhaus steht. Was ich soeben berichtete, ist für euch nicht einmal das Tätscheln der Wange zur Begrüßung. Es mag irritierend gewesen sein, ja, aber es diente euch doch nur zur Unterhaltung. Wir sind hier schließlich in einem Seminar mit dem Thema ,Reales in der Literatur'.
    Anhand eurer Gesichter, ja, ihr da, in der ersten Reihe, die dämlichen Grinser, weiß ich, dass ihr alles für eine Illusion haltet. Ich möchte doch nur, dass ihr meine Bücher kauft. Denkt doch, was ihr wollt. Ich legte nur meine Methode dar. Erfahrung kommt vor dem Schreiben. Vergesst das nicht.
    Ich danke für eure Aufmerksamkeit. Es war mir eine Ehre, für Professor P. als Gastdozent vor euch zu sprechen. Auf Wiedersehen.
     

Mesmers Fluch
    *****
     
     
    Ich bin nicht responsiv und damit weder für Hypnose noch für ähnlich geartete Manipulationen durch andere zugänglich. Allein meinem rationalen Vorgehen und Betrachten ist dies zu verdanken, denn so bin ich um ein Vielfaches willensstärker als die gemeine Person. Damit möchte ich mich keinesfalls über andere erheben, ich weise lediglich auf meine Gabe hin, weil sie erneut verlässlich sein muss – für mein jetziges Unterfangen gar sehr, begebe ich mich doch in ein gefährliches Zwischenreich, wo ich sonst meiner Profession vom Schreibtisch aus folge. Mir bleibt heute nichts anderes, als diesen zu verlassen und jene Person aufzusuchen, die ich zu entlarven trachte.
    Dougan Hall ist jemand, den man gemeinhin als Mentalisten bezeichnen kann; ein Illusionist, der mit akribisch geplanten Täuschungen den Eindruck erweckt, Gedanken zu lesen und in die Zukunft zu schauen; jemand, der um die Geheimnisse des Unbewussten weiß und dadurch andere zu manipulieren vermag; ein nach außen hin englischer Gentleman, der durch sein bilinguales Heranwachsen seit Jahren auch in Deutschland auftritt und auf eine Vielzahl von faszinierten Zuschauern zählen kann. Ein harmloser Bühnen-Spaß ist es für die meisten – im Falle von Dougan Halls Kollegen wie Criss Angel oder Derren Brown mag dies sehrwohl zutreffen – hier aber gestaltet sich seine Popularität anders, wird sie doch von einer Reihe unheimlicher Ereignisse überschattet. Mein Problem ist, jener Zusammenhang, den ich gleich offenbaren möchte, ist niemandem bisher aufgefallen – ja, er würde sich bei jemand anderem als mir gar nicht erst zusammen setzen.
    Wenn ich darauf hinweise, dass ich nicht responsiv sei, so lässt sich folgerichtig feststellen, andere sind es ganz bestimmt – jene Individuen, die sich Dougan Hall aus seinem Publikum zu suchen weiß, um mit ihnen seine in der Tat verblüffenden Tricks vorzuführen. Dafür bittet er stets sieben willkürlich gewählte Personen zu sich, lässt jeden zu seinen Instruktionen pendeln, und jener, der Dougan Halls Worten unbewusst doch harmonierend synchron zu folgen versteht, wird zum willenlosen Probanden, der unter Hypnose Zahlen vergisst oder keine Schmerzen spürt oder anderes für den Unwissenden tatsächlich Phantastisches, um dessen Aufzählung ich mich nicht weiter bemühe, weil derartiges zu zahlreich ist.
    Niemand mag mehr bezweifeln, dass die durch Mesmer beeinflusste praktische Hypnose nichts weiter als Selbst-Suggestion ist, die nur funktioniert, wenn der zu Hypnotisierende daran glaubt und so seiner eigenen Responsivität anheim fällt. Und man kann sagen, der ursprüngliche Magnetismus und seine Folge-Erscheinungen dienen heutigentags hauptsächlich dem esoterischen Geschäft, nicht mehr dem Erkenntnisstreben des Einzelnen. Verdammt sind die Gläubigen, die sich Gurus und ähnlich düsteren Gestalten ausliefern, wie es das Publikum an den Mentalisten tut. Letzterer besitzt aber das moralische Gewissen, auf das Berechnende seiner Techniken hinzuweisen – wenn auch ohne sie zu entlarven – kurz: der Mentalist missbraucht seine Macht über responsive Menschen nicht. Wenn das so ist, zählt Dougan Hall ohne Zweifel zu den düsteren Gestalten, die soziale Grenzen ignorieren und sich anscheinend dem Gedanken hingeben, Schicksal zu sein, mit Worten als
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