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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal
Autoren: Thomas Willmann
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er:
    »Net Müller. Maler. Bilder will ich malen.«
    Da war nun der Bärtige um eine Antwort verlegen. Greider nutzte den Moment, um erstmals ungefragt zu sprechen. Als hätte der andere nicht erklärt, dass es so etwas hier nicht gebe, sagte er:
    »Ich zahl’s Quartier auch gut.«
    Währenddessen machte er sich an einer seiner Satteltaschen zu schaffen, öffnete ihre Riemen, griff hinein. Sofort wurde der Halbring der Männer um ihn enger, ihre Körper spannten sich, schienen zum Sprung auf ihn bereit. Greider aber holte in aller Ruhe einen faustgroßen Lederbeutel aus der Tasche und warf ihn dem Bärtigen zu. Als jener ihn aus der Luft fing, hörte man das Scheppern und Klirren von Metall.
    Der Bärtige schien einen Moment unsicher, als traute er dem Säcklein nicht. Greider forderte ihn mit einem Nicken auf, es zu öffnen. Der Bärtige lockerte den Zugriemen, der den Beutel geschlossen hielt, weitete die Öffnung und griff hinein.
    Heraus zog er eine goldene Münze.
    Er hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger hoch, sodass alle rundum sie sehen konnten. Dann ließ er das Säckchen in der Linken klimpern, um ihnen wortlos einen Eindruck zu geben, welch handfesten Schatz er da hielt. Sofort wurde das Tuscheln wieder reger.
    Greider lächelte den Bärtigen an, der sichtlich ins Nachdenken gekommen war. Wägend blitzten die Augen unter der Hutkrempe hervor, huschten zwischen der Münze und Greider hin und her; zwei, drei Mal noch prüfte seine Hand das Gewicht des prallen Beutels.
    »Wie lang hast g’sagt willst bleiben?« fragte er den Fremden misstrauisch, keinen Zweifel lassend, dass lang noch nicht entschieden war, ob das Bleiben überhaupt möglich sein werde.
    »An Winter.«
    »Wird net reichen für an ganzen Winter, der Beutel«, sagte der Bärtige, aber man merkte ihm an, dass er nicht recht sicher war, ob ihn seine Gier da zu viel wagen ließ.
    »Hab schon noch«, meinte Greider – so, als wäre es ganzselbstverständlich, dass eine Summe, die er unten in einem der feinen Hotels der großen Städte für mehrere Wochen Logis bezahlt hätte, hier in diesem abgelegenen Tal eine Unterkunft nicht für ein Vierteljahr erkaufen konnte.
    Die Augen des Bärtigen wurden groß. Er schaute seine Kumpanen an, blickte sich nach den Umstehenden um. So viel Geld, das einem offensichtlichen Narren gehörte, der nur darum zu bitten schien, es ihm abzunehmen – das mochte wahrhaft ein Geschenk Gottes sein.
    »So?« gab er Greider lauernd zurück. »Lass seh’n.«
    Greider schüttelte den Kopf. Er wusste wohl, dass er den Plan seiner Überwinterung in diesem Tal nur Wirklichkeit werden lassen konnte, indem er die Gier seiner Bewohner weckte – einem anderen Argument würden sie nicht zugänglich sein. Aber er durfte sich nicht so leichtsinnig und naiv darstellen, dass die Gier dieser Leute den schnellsten Weg zu ihrer Befriedigung suchen würde: Greider für immer ein Quartier knapp unter der Scholle zu bereiten und als Gegenleistung dafür sein ganzes Hab und Gut in Besitz zu nehmen. »Des zeig ich, wenn ich’s Quartier hab.«
    Einen winzigen Ruck gab es dem Bärtigen, dass ihm dieser scheinbare Narr nun doch Schranken aufweisen wollte. Er schaute in Greiders Gesicht, auf die Satteltaschen, und wieder auf Greider. Als wollte er sagen: ›Es kann das Geld nirgends sein als in deinen Taschen, und du bist allein hier oben. Aber gut, wir sind ja keine Wegelagerer … Solang einer die Versuchung nicht größer macht, als man einem gewöhnlichen Christenmenschen zumuten kann.‹
    »Mir müssen überlegen«, meinte er dann nach einer kleinen Weile. Dies fand hörbar allgemeine Zustimmung. »Am besten, du gehst vorerst zum Wirt. Trinkst was. Des kannst auch vertragen, wennsd’ dann wieder umkehrn musst.«
    Greider nickte, mit einem Lächeln, das sich sicher schien,dass Letzteres nun nicht mehr der Fall sein würde. Sofort kam Bewegung in die Menge. Greider musste gar nicht fragen, wo es zum Wirt ging. Denn während manche nun – gar nicht mehr flüsternd – anfingen, das eben miterlebte, außergewöhnliche Ereignis untereinander zu diskutieren, hatten die meisten offenbar urplötzlich einen gehörigen Durst bekommen und beeilten sich, als Erste ins Wirtshaus zu gelangen, das im Rücken des Bärtigen am Rand des Platzes stand. Greider musste nur dem Strom folgen, der sich eine Gasse bahnte durch die Gruppe derjenigen, die im angeregten Gespräch an Ort und Stelle verblieben und die Hälse nach Greider reckten, sobald er ihnen
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