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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal
Autoren: Thomas Willmann
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nur gedrängt Platz fanden, obwohl sie sonst nicht mehr enthielt als eine schmale Eck-bank mit einem armseligen Herrgottswinkel, einen bescheidenen Tisch mit einer fadenscheinigen, aber sauberen Decke, einen Schaukelstuhl und eine Truhe. Man forderte von Greider den Beweis, dass er wie versprochen genug Vermögen dabeihatte, um den Preis für seine Einquartierung zu begleichen – welcher für den ganzen Winter nunmehr aufs Doppelte des im Dorf vorgezeigten Beutelinhalts festgesetzt wurde.Als Greider dem Wunsch nachgekommen war und ein zweites Ledersäcklein aus seinen ihm eilig gereichten Satteltaschen gefischt und auf dem Tisch entleert hatte, blitzte es in den Augen der noch enger um das Münzhäuflein zusammengerückten Männer. Es konnte einem bang werden, wie drückend eng gepfercht die Stube war mit diesen massigen Leibern und der Gier, die sie ausdünsteten. Dennoch erfolgte die Einigung, dass Greider die Hälfte des Betrages gleich zahlen würde und die andere am Ende seines Aufenthalts – als gehörten mit Wintereinbruch der Fremde und sein Gold nicht ohnehin unwiderruflich dem Tal.
    So verstaute Greider einen Beutel wieder in den Satteltaschen, band den anderen, prall gefüllt, gut zu, wiegte ihn aufreizend in der Hand, schaute den Männern reihum ins Gesicht, ohne die Witwe auch nur mit einem Blick zu streifen, verharrte dann Aug in Aug mit dem Wortführer und fragte mit scheinheiliger Unschuld: »Wem geb ich’s Geld?«
    Dem anderen verzog es einen Moment die Augen zu zornigen Schlitzen, dann aber sagte er trocken und kurz, mit einem Ruck des Kinns in Richtung der Frau: »Der Wittib, freilich.«
    Die schien verdutzt, hob an, etwas zu sagen, schüttelte dann aber den Kopf, wusste nicht wohin mit ihren Händen, bis sie sich durchrang, den Lederbeutel in Empfang zu nehmen, Greider wieder und wieder dankend, und dabei besorgte Blicke auf die Männer werfend – bis die ihr stumm offenbar Beruhigendes bedeutet hatten. Greider hatte eine Ahnung, dass die Witwe sich tatsächlich um das Geld nicht lange selbst würde Sorgen machen müssen.
    Mit Abwicklung des Pekuniären schien Greider eigentlich vorerst alles Wesentliche erledigt, und er meinte, auch den fünf Männern eine Bereitschaft zum Aufbruch anzumerken. Doch der, der vorher die Kutsche gelenkt hatte, wollte von der Witwe wissen: »Wo is dei Tochter?«
    Einen winzigen Moment zögerte die Frau mit der Antwort, als überlege sie, was sie tun könne, außer mit der Wahrheit herauszurücken. Dann aber sagte sie einfach:
    »Die is oben. Richt’ die Stubn her für’n Gast.«
    »Ruf’s nur runter, dass’ ihn glei kennenlernt, unsern Herrn Gast«, forderte der Mann.
    Wieder zögerte die Frau einen Moment, bevor sie sich jede Erwiderung verkniff und die Männer zur Seite schob, um zur Wohnstube hinauszukommen und zum Fuß der ausgetretenen Treppe, die draußen im Flur nach oben führte. Ihr Rufen fiel betont laut aus, als wäre es in dem kleinen Haus wirklich fraglich, ob es sonst bis in den ersten Stock dringen könne; als ob man dort unterm Dach tatsächlich ganz leicht etwas überhören könne, was im Parterre geschah.
    »Luzi!« rief sie. Und nachdem die einzige Reaktion darauf Stille war, noch einmal lauter: »Luzi!«
    Da ertönten Schritte auf den Dielen im oberen Geschoß. So klein wie das Haus war, konnte es ja gar keine langen Wege darin geben, aber dennoch schien Greider besondere Notiz davon zu nehmen, wie wenig an der Zahl und wie nah zum oberen Treppenabsatz diese Schritte waren. Noch aber ließ sich dort niemand blicken. Stattdessen fragte eine helle Stimme zögerlich: »Ja, was is?«
    »Luzi, komm amal nunter«, verlangte die Witwe lautstark, aber in einem Ton, der die Überzeugung vermissen ließ, wirklich das Rechte zu befehlen.
    Um die Frau am Fuß der Treppe hatten sich inzwischen auch die Männer versammelt, und alle warteten auf Antwort. Als diese ein, zwei Augenblicke länger, als höflich war, nur aus Schweigen bestand, setzte der Bärtige mit anstrengungslos dröhnender Stimme hinzu: »Sollst euern Gast begrüßen!«
    Endlich setzten sich, zaghaft zwar, die Schritte oben wiederin Bewegung, und auf dem Treppenabsatz erschien Luzis Gestalt.
    Sie mochte ihre Mutter um ein gutes Stück überragen, aber nicht so viel, dass es die zehrenden Jahre ihr nicht würden rauben können. Aufrecht war sie, in ihrem einfachen, für häusliche Verrichtungen gedachten Rock und Mieder, und schlank – wie die meisten hier oben, wo es nichts zu essen
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