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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal
Autoren: Thomas Willmann
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Alle warteten auf einen Nachsatz des Bärtigen. Der aber befand wohl, alles Wichtige nunmehr gesagt zu haben.
    Es begann, von ihm angeführt, die Verabschiedung der Männer. Langsam drängten sie den schmalen Hausgang hinaus, keiner, ohne der Witwe einen guten Ratschlag, Greider einen Schulterklopfer, Luzi ein anzügliches Lächeln hinterlassen zu haben. Und als sie endlich alle wieder vor der Tür standen, in der Kälte und dem dämmrigen Licht des anbrechenden Abends, da drehte sich, während die anderen schonPferde und Wagen bestiegen, ihr offensichtlicher An- und Wortführer um und meinte zu Greider, der mit den beiden Frauen im Hauseingang stand:
    »Also, mir sehn dich dann.«
    Als hätten sie zuvor eine Verabredung getroffen. Aber auch wenn dem nicht so war, gab es für Greider keinen Zweifel, dass der Bärtige die Wahrheit gesprochen hatte.
    Nachdem die Haustür dann endlich geschlossen, das Geräusch der Pferdehufe draußen verklungen war, kümmerte man sich zunächst darum, Greiders Gepäck in jenes Zimmer zu schaffen, das ihm die nächsten Monate Quartier sein sollte. Greider, mit dem Großteil seiner Sachen beladen, hätte gerne darauf bestanden, dass sein restliches Hab und Gut im Hausflur auf ihn warten solle. Aber Luzi wollte davon nichts hören, hatte flink die Staffelei und den zweiten Koffer geschnappt, um dem Fremden damit ins obere Stockwerk zu folgen, und schließlich nahm sich die Witwe Gader – zögerlich, weil sie es scheute, sich so einfach über einen Wunsch des Gasts hinwegzusetzen – der noch verbleibenden Reisetasche an und trug sie, ehrfürchtig wie einen kostbaren Gegenstand, den anderen beiden hinterdrein.
    Die dem Fremden zugedachte Kammer war klein, einfach und reinlich. Eine schmucklose Bettstatt schmiegte sich unter die Dachschräge und war bereits mit Leintuch und Decken als Nachtlager bereit gemacht. Das Kopfende des Betts stieß fast an die kaum mehr als eine Armspanne breite, der Tür gegenüberliegende Wand, in der sich das einzige Fenster des Raums befand: eine schmale Öffnung nur mit wuchtigem Fensterkreuz, an die man nah herantreten musste, um einen wirklichen Ausblick zu haben auf die Landschaft draußen. An der letzten Wand, den Eintretenden zur Linken, hing ein Blechspiegel über einem kleinen Tisch, auf dem sich eineWaschschüssel mitsamt Krug befand und eine Öllampe; daneben stand ein Stuhl.
    Es blieb kaum genug Platz, dass Greider – mit Luzis Hilfe und unter den besorgten Blicken ihrer Mutter, die fürchtete, die Enge der Behausung könne als Beleidigung des Gastes scheinen – sein Gepäck an dieser Wand, teils unter dem Tisch, stapeln konnte und dabei noch ein freier Gang in der Mitte des Zimmer blieb. Aber schließlich gelang dies, und dem Fremden wurde angeboten, sich nach seiner gewiss beschwerlichen Tagesreise zu waschen und umzukleiden sowie sein Maultier zu versorgen, während die beiden Frauen das Abendmahl bereiten würden. Die Ältere war schon auf der Treppe, Greider hatte einen seiner Koffer wieder hervorgezogen und zum Öffnen aufs Bett gehievt, als Luzi noch immer auf der Schwelle zur Kammer stand. Sie hatte den Türknauf in der Hand, doch bevor sie die Tür hinter sich zuzog, wandte sie sich halb um und blickte auf den unerwarteten Gast. Eingehend musterte sie noch einmal zunächst sein Gepäck, dann den Mann selbst. Sie sagte nichts, auch nicht, als Greider ihr Innehalten bemerkte und fragend zurückblickte. Es war kein Misstrauen in ihren Zügen, nur Neugier, eine fast amüsierte Unentschiedenheit, die darauf zu warten schien, dass sie irgendetwas entdeckte, irgendetwas herausforderte, was seine wahren Absichten verraten würde. Greider hielt der Begutachtung ohne Regung stand, bis das Mädchen endlich das Zimmer verließ. Sie hatte dabei ein Lächeln auf den Lippen, das wie ein Versprechen wirkte, dem Mann sein Geheimnis dann eben zu einer anderen Gelegenheit zu entlocken.
    Draußen hatten die Berge die Sonne geschluckt und den Schatten zu ihren Füßen freien Lauf über das Tal gegeben. Drinnen glühte rot das vergitterte Auge des Ofens, hüllte derbescheidene Deckenleuchter das Abendmahl in ein gelegentlich zitterndes, gelbliches Licht. Obwohl Greider merkte, wie neugierig vor allem die Mutter immer wieder auf ihn lugte, aß er genüsslich und schweigsam seine Milchsuppe.
    Als dann aber abgetragen war, konnte die Hausherrin die Stille nicht mehr dulden.
    »Sie san also Maler?« begann sie einen Fragenreigen, mit dem sie Greider so viel als
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