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Das Feuer von Konstantinopel

Das Feuer von Konstantinopel

Titel: Das Feuer von Konstantinopel
Autoren: Ingmar Gregorzewski
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Verdacht, dass die gnädige Frau auch eine dieser asiatischen Kampfsportarten beherrsche, mittels derer man die Möbel eines geräumigen Wohnzimmers in weniger als vier Minuten per Handkantenschlägen in einen traurigen Haufen Kleinholz verwandeln könne. Bis jetzt fehlten Fräulein Romitschka lediglich die Beweise für diese Annahme, aber die würden mit Sicherheit eines Tages schon noch ans Licht kommen.
    Die einzige Schwester von Felix hieß Fedora. Drei Jahre war sie älter als ihr Bruder. Blass wie die Wand, beschrieb sie Fräulein Romitschka in ihren Briefen an Hedwig.
    Haare wie ein Engel, schwärmte Vater Fridolin von seiner Tochter, wenn er morgens die Türe zu seinem Büro von innen verschloss, um ungestört seinen Geschäften nachzugehen.
    Viel zu nachdenklich für ihr Alter, sorgte sich Mutter Frederike, die jede Woche für sie neue Romane in der Buchhandlung Grünberg bestellte, die sich Fedora zuvor ausgesucht hatte.
    Felix verlor kein Wort über seine Schwester. Jeden Tag besuchte er sie in ihr em Zimmer. Meistens lag sie dann in ihrem Bett. Eine geheimnisvolle Krankheit zwang sie dazu. Die Ärzte nannten diese Krankheit 'Mutalepsie’ und beruhigten die Eltern, dass alles wieder gut werde, solange Fedora nur in ihrem Bett ruhe. Alle in der Familie glaubten das nur zu gerne. Denn alle liebten das Mädchen und wollten, dass es wieder gesund wird.
    Gleich nach seiner Ankunft aus Konstantinopel betrat Felix das Zimmer von Fedora. Sie schien zu schlafen. Felix wollte schon umkehren und sie später erneut besuchen, da ertönte ganz leise der Familienpfiff der Flockes, der Marsch von der Berliner Luft. Es war Fedora.
    „Felix...!“, rief sie mit schwacher Stimme. Felix blieb in der Türe stehen. „Hast du heute Nacht den Mond gesehen?“
    „Ja“, antwortete Felix.
    „Oh, ich hatte es so gehofft. Ich hab den Mond angeschaut und an dich gedacht. Wie du so mutterseelenallein durch die Weltgeschichte reist. Und ich hatte keine Angst mehr.“
    Felix setzte sich zu seiner Schwester auf die Bettkante. Sie griff nach seiner Hand.
    „Schön, dass du wieder da bist. Aber jetzt erzähl mir von Onkel Fidelius. Ich bin ja schon so gespannt. Wie laufen die Geschäfte im geliebten Zauberladen? Bring’ mich zum Lachen.“
    Felix sah seine Schwester an. Konnte er ihr die ganze Wahrheit zumuten? Verkraftete eine Kranke das überhaupt?
    „Fedora, es war diesmal alles ganz anders“, sagte er leise.
    „Fräulein Romitschka sagt, du hättest eine Krähe mitgebracht. Warum hast du das getan?“, wollte Fedora wissen.
    „Dazu muss ich dir die ganze Geschichte erzählen“, sagte Felix, stand auf und schloss leise die Zimmertüre. Dann zog er sich einen Stuhl dicht an Fedoras Bett.
    „Diese Krähe sei ein richtig freches Biest, hat Fräulein Romitschka gesagt. Ich liebe freche Biester“, lachte Fedora vor sich hin, denn sie freute sich schon auf das, was ihr Bruder ihr zu erzählen hatte.
    Felix musste auch lachen.
    „Nur gut, dass Fräulein Romitschka nicht weiß, wie sich alles zugetragen hatte. Sonst wäre sie am Bahnhof gleich noch einmal in Ohnmacht gefallen.“
     
    Fidelius von Flocke betrieb in den Gassen von Galata – dem berühmten Geschäftsviertel von Konstantinopel – ein Kaufhaus für Zauberei und andere wunderliche Artikel aus dem Orient. Brauchte man einen Stift, der rückwärts schrieb, oder einen Wintermantel für Kopflose – der erste Weg führte stets zu Onkel Fidelius. Wollte man eine Jungfrau zersägen oder einfach nur die Wand hochgehen – Onkel Fidelius verkaufte einem garantiert das richtige Mittel dafür.
    „Es gibt nichts, was es nicht gibt!“, war sein Wahlspruch und damit war er der Lieblingsonkel von Felix und Fedora.
    Tante Fatima von Flocke, seine Frau, briet den besten Hammelbraten am Bosporus und erfand Nachtische, die ihr bestimmt einmal einen Platz im Paradies sichern würden.
    Felix kam so oft er konnte aus Berlin zu Besuch, denn er half gerne im Geschäft mit. Er verräumte Kisten und Gefäße, fegte eifrig den Boden und das kleine Stück der Gasse, das vor dem Laden lag. Zu Fuß unternahm er Botengänge, um Salben und Wunderleuchter zu den Kranken zu bringen. Zum Dank drückten die glücklichen Kunden dem Jungen gerne eine Münze in die Hand und murmelten Segenswünsche über seinem Kopf, die Felix nicht verstand. Dazu lobten sie seine Klugheit in den höchsten Tönen, damit alle in der Gasse es hören konnten, welch wunderbarer Oglum , welch wunderbarer Sohn, er war. Aber
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