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Das Feuer von Konstantinopel

Das Feuer von Konstantinopel

Titel: Das Feuer von Konstantinopel
Autoren: Ingmar Gregorzewski
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Mund und stieß einen kleinen Schrei aus, vorbei an dem verdutzten Polizisten. Denn dieser Pfiff, den sie eben gehört hatte, den kannte sie nur zu gut. Es war der Familienpfiff der Familie von Flocke.
    „Felix!“, rief sie überglücklich. „Felix, großer Gott, Junge, da bist du ja!“
    Ja, Felix war da. Er war angekommen. Seine Haare wirkten von der Fahrt ziemlich zerzaust, der Mantel war nicht zugeknöpft. In der einen Hand hielt er seine blaue Reisetasche und in der anderen einen ziemlich großen Vogelkäfig – so stand er da.
    „Was hat das zu bedeuten?“, stutzte Fräulein Romitschka und deutete knapp auf den Käfig. „Sieht aus wie eine Krähe!“
    „Das ist Suleika! Ich habe sie aus Konstantinopel mitgebracht“, lachte Felix. „Wir beide haben ordentlich Hunger.“
    „ Merhaba! Merhaba !“, kreischte Suleika hinter ihren Gitterstäben. Doch Fräulein Romitschka hätte zu gerne noch einmal den Polizisten um Hilfe gebeten, um dieses schwarze Ungeheuer loszuwerden. Krähen aus Konstantinopel mitzubringen, das musste doch strafbar sein. Und wenn nicht, sollte man schleunigst die Gesetze ändern, ging es der Erzieherin durch ihren angeschlagenen Kopf. Der Polizist aber war längst wieder im Gewimmel des Bahnhofs verschwunden, auf der Suche nach neuen Aufgaben.

 
    2.
     
    Über Felix von Flocke gibt es viel zu erzählen. Aber ich beginne mal mit seiner Familie. Es war noch gar nicht lange her, da waren sie alle zusammen in ein großes altes Haus gezogen, das sich zwischen mächtigen Bäumen auf einem weitläufigen Grundstück an der Pappelallee in Berlin befand. Obwohl wieder bewohnt, wirkte das Haus immer noch einsam, denn es stand sehr lange leer, bevor die Familie Flocke hier einrückte.
    Vater, Mutter, zwei Kinder und ein Kindermädchen mühten sich redlich, wieder Leben in die vier Wände zu bringen. Jeden Morgen kamen eine Köchin und zwei Dienstmädchen mit der Straßenbahn in die Pappelallee und hielten den Haushalt der Familie Flocke am Laufen. Regelmäßig einmal in der Woche hatten die Dienstboten frei. Diese Tage mochte Felix besonders, denn dann konnte er in die Küche, ohne dass ihn die Köchin mit Fragen nach seinen Wünschen löcherte. Oder er ging auf den Dachboden und keines der Dienstmädchen sah ihm neugierig hinterher, um herauszufinden, was er wohl als nächstes wieder anstellen würde.
    Felix konnte das neue alte Haus nicht leiden. Viele Wände waren mit dunklem Holz verkleidet. Die Haupttreppe empfand der Junge als protzig. Sie führte von oben wie eine Rampe in die weiträumige Eingangshalle und war ebenfalls aus dunklem Holz. Die einzelnen Zimmer lagen so weit auseinander, dass sie die Bewohner mehr von einander trennten, als sie zusammenzuführen. Der alte Kasten war überhaupt nicht gemütlich. Irgendwie unheimlich.
    Das größte Rätsel aber war ein sch warzes Piano auf goldenen Rollen, das wie eine Art Sarg mitten in der Eingangshalle stand. Der Tastendeckel war verschlossen. Einen Schlüssel konnte man bis heute nicht finden. Seltsam.
    Vater Fridolin von Flocke meinte, sie würden sich schon an das neue Zuhause gewöhnen. Mit der Zeit, so meinte er, würde das Haus auch viel zutraulicher werden, schließlich müsse es die Familie ja auch erst einmal kennenlernen. Dann lachte er über seinen Scherz und hoffte inständig, die anderen würden ihn nicht im Stich lassen und mitlachen. Aber Felix konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, sich in diesen Gemäuern einmal wohlzufühlen.
    Fridolin von Flocke war von Beruf Schiffsmakler. Jeden Tag schickte er Schiffsladungen rund um die Welt: Stoffe aus London verfrachtete er nach Stockholm, und Hühner aus Hongkong nach Macao. Kaffee aus Südamerika ließ er nach Hamburg verschiffen und Whiskey aus Kentucky landete in Liverpool. Er war ein Kaufmann. Und das hatte ihn reich gemacht.
    Fräulein Romitschka, das Kinderfräulein, bewunderte Herrn von Flocke für diese Leistung und wurde nicht müde, mit dem Wohlstand, der im Hause Flocke herrschte, regelrecht anzugeben. Besonders in den Briefen an ihre Cousine Hedwig, die in der Schweiz ebenfalls Kinderfräulein war. Leider bei einer Familie, die vor lauter Geiz jeden Rappen dreimal umdrehte, wie sie in ihren Briefen immer wieder betonte.
    Frederike von Flocke, die Mutter, war als Kind in Schanghai zur Schule gegangen. Denn dort arbeitete ihr Vater lange Jahre als Diplomat. Sie konnte fließend Chinesisch und Fräulein Romitschka vertraute ihrer Cousine Hedwig an, sie hege den
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