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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall
Autoren: Lawrence Norfolk
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zu Hause. Für eine weitere Woche in Sicherheit. Er sah sich noch einmal um. Dann zwängte er sich durch das Gebüsch.

    »Du hast dir Zeit gelassen, John.«
    Sie erwarteten ihn am anderen Ende. Ephraim Clough hielt den Blick mitten vom Weg aus auf ihn gerichtet; er hatte buschige Augenbrauen und war einen halben Kopf größer als John. Der flachshaarige Dando Candling und Tobit Drury standen links und rechts neben ihm. Seth Dare und Abel Starling bildeten die Nachhut. John blickte von einem ausdruckslosen Gesicht zum anderen.
    »Wie geht es deiner Ma, Hexensohn?«, fragte Ephraim. »Tanzt sie immer noch um ihren Kessel herum?«
    Ephraim war der Schlimmste. Derjenige, der die anderen beim Grölen von »Hexensohn« anführte und der am unerbittlichsten hinterherlief, wenn John floh. Derjenige, den John in seinen Zornesphantasien immer wieder mit Fäusten bearbeitete. Nun drehte die gewohnte Übelkeit John den Magen um. Seine Glieder waren wie Blei. So begann es immer. Ephraim trat drohend näher und schob sein Gesicht mit den buschigen Augenbrauen ganz nah an Johns Gesicht.
    »Du hast hier nichts zu suchen«, sagte Ephraim. »Du nicht und deine Ma nicht.«
    John zwang sich, nicht zurückzuweichen. »Meinst du?«
    »Sagt mein Pa. Ihr hättet nie zurückkommen dürfen.«
    Zurückkommen? Er war nie über das Dorf hinausgelangt. Ephraim hielt den Blick auf ihn gerichtet, abwartend. John roch den Schweiß, der aus der dunklen Kleidung des Jungen aufstieg. Doch in der warmen Luft hing ein eklerer Geruch. Hinter John stand Tobit mit einem Sack. Unversehens schoss Ephraims Arm hoch. Seine Knöchel schlugen gegen Johns Gesicht, und John spürte den stechenden Schmerz über seine Wange ziehen. Sein Kopf zuckte zurück, und er versuchte, den Schlag zu erwidern, doch Ephraim wehrte ihn ab und lachte. Dann wurde John von hinten gepackt und wehrte sich strampelnd und hilflos. Wie all die anderen Male. Doch diesmal überkam ihn Hoffnungslosigkeit. Sie rangen ihn nieder. Ephraim hielt ihn an den Handgelenken fest, während Tobit ihm den Sack über den Kopf stülpte.
    »Neue Hexenprobe für dich, John«, verkündete Ephraim.

    »Alte Hexenprobe wäre richtiger!«, rief Tobit.
    Er hörte sie wieder lachen. In dem Sack war es heiß, das grobe Tuch kratzte an seinem Gesicht.
    »Los, macht schon«, drängte Ephraim. »Bereitet ihm seinen Hexensabbat.«
    Die Schnur wurde gelöst. John spürte, dass etwas in den Sack geschoben wurde. Der Gestank von verrottetem Fleisch drang ihm in die Nase. Federn scheuerten an seinem Gesicht. Die Krähe von der Vogelscheuche, begriff John. Er würgte und versuchte den Kopf abzuwenden. Aber sie hielten ihn fest. Er spürte, wie etwas Weiches sein Gesicht beschmierte.
    »Reif und köstlich!«, hörte er Seth rufen. Eine Hand presste den Kadaver an sein Gesicht.
    »Vom Hexensabbat bekommt man das Fieber«, erklärte Ephraim. »Hast du schon das Fieber gehabt, John?«
    John bäumte sich auf und stieß mit Armen und Beinen um sich. Aber es gab kein Entkommen.
    »Als Nächstes musst du kotzen«, fuhr Ephraim fort. »Du musst kotzen, bis dir die Seele hochkommt.«
    »Das schmeckt ihm nicht«, rief Seth.
    »Er hat nix, um es runterzuspülen«, antwortete Tobit.
    »Honig aus der Bienenwabe, Trauben von dem Rebenstock«, sang Ephraim. »Hier, Hexensohn, kommt mein eigener Gewürzwein ...«
    »Pass auf, wohin du zielst«, hörte John Tobit warnend rufen. Im nächsten Moment traf ihn der erste warme Strahl.
    John wehrte sich heftiger, aber Tobit zog den Sack noch fester zu. Unversehens konnte John eine Hand befreien; er schlug blindlings zu. Seine Faust traf auf Fleisch, und Tobits Griff wurde schwächer. John riss sich den Sack vom Kopf.
    Ephraim stand mit halb heruntergelassenen schwarzen Kniehosen da, das Sonntagshemd hochgezogen, und urinierte in weitem Bogen. Tobit rieb sich mürrisch die Wange. Abel wich zurück. Lauf weg, dachte John. Doch als er sich erheben wollte, füllte etwas Dunkles sein
Gesichtsfeld. Im nächsten Augenblick traf ihn Dandos Stiefel unter dem Kinn.
    Er spürte ein knorpeliges Knirschen. Ein Blutklumpen schien zu schwellen und seine Luftröhre zu verstopfen. John fiel auf die Knie und hielt sich keuchend den Hals. Er würgte, und dickes Blut sickerte aus seinem Mund. Die Jungen verstummten.
    »Ich hab ja gesagt, dass wir es besser lassen«, zischte Abel. »Jetzt habt ihr ihn umgebracht.«
    »Du hast mitgemacht«, gab Dando zurück.
    »Sir William macht uns die Hölle heiß.« Tobit klang
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