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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder
Autoren: Lisa Moos
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einander vorstellen.
    Mich schreckte das ab, denn so offen wie mit Florian sprach ich nur mit wenigen Menschen über mein Leben und hatte keine große Lust auf »Kundenvermittlung« durch Dritte. Aber Florian ließ nicht locker und gab mir schließlich die E-Mailadresse von Josch. Ich solle mich melden, er hätte schon von mir erzählt.
    Tatsächlich schrieb ich wenige Tage später meine erste E-Mail an Josch. Verwies auf seinen Freund Florian und baute einen Link auf meine Homepage ein. Sollte ihm gefallen, was er dort vorfand, könne man sich über Geschäftliches einigen. Immerhin waren die Aussagen von Florian über Joschs Sexualität reine Vermutungen. Und ich wollte kein »Fettnäpfchentreter« werden. Die Antwort kam postwendend. Solche Praktiken lagen ihm völlig fern und waren ihm fremd. An mir als dargestellter Person auf der Homepage zeigte er jedoch größtes Interesse, und so begann unser Schriftverkehr.
    Josch stellte sich als Arzt mit eigener Praxis in einer großen deutschen Stadt vor. An meiner Tätigkeit nahm er keinen Anstoß und schon waren viele meiner Stunden mit Mails schreiben oder lesen ausgefüllt. Er beschrieb sein Leben als düster, grau und leise.
    Unglücklich an eine Frau gebunden, seit Jahren in einer stillstehenden Beziehung lebend.
    Sich selbst nannte er einen alten, verbitterten, in sich erstarrten Mann. Josch hatte fast alle seine Träume der »Frau seines Lebens« geopfert. Sie war der dominante Part und Zentrum seines Seins. Auch ein gemeinsamer Sohn beherrschte vorrangig sein Denken. Josch war der Animateur und Finanzier des aufwändigen Lebensstils dieser Familie. Respekt, Ehre, Achtung und auch Dankbarkeit wurden ihm schon lange verwehrt. In sich selbst zurückgezogen, hatte er sich längst in die Situation ergeben. Schrieb er von Änderungen, Vorhaben oder der Zukunft, war es ein Gemisch aus Träumen und Fantasien. Seine Lebenssituation war viel zu festgefügt, als dass er Ausdauer oder Kraft finden konnte, etwas umzusetzen oder gar zu ändern. Seine negativen Verstrickungen im Leben erinnerten mich an mein eigenes.
    Langsam begannen wir uns gegenseitig zu öffnen und philosophierten über die Möglichkeiten des Seins. Wir schrieben uns unsere Lieblingsgedichte, erzählten aus unserer Kindheit und beschrieben unsere Träume.
    Immer wieder fielen uns neue Gemeinsamkeiten auf. Und aus den anfänglich stockenden Mails wurden lange, ausführliche Seelenbeschreibungen. Immer öfter merkte ich, dass meine Gedanken abschweiften. Ständig wanderten sie zu Josch und meiner E-Mailbox.
    Ob er schon geschrieben hatte? – Wie er wohl aussah? – Wie das alles auf ihn wirken musste?
    Als mein nächster Besucher eintraf, fühlte ich mich innerlich schon sehr an Josch gebunden. Meine Arbeit ging mir nur zögerlich von der Hand, und ich hatte Mühe, den Ablauf nicht durch meine Tagträume zu stören. Mir war klar, dass es so nicht weitergehen konnte, und ich drängte nun meinerseits darauf, ihn kennen zu lernen, bat ihn eindringlich um seinen Besuch. Nicht lange darauf willigte er ein. Er würde auf die Insel kommen! Florian taumelte im Glück, hatte seinen Freund viele Jahre nicht gesehen. Immer nur am Telefon verbunden, war er jetzt bereitwilliger Gastgeber und völlig außer sich vor Freude über das Wiedersehen. Ich stoppte all meine Aktivitäten und stellte mich darauf ein, den vielleicht wichtigsten Mann meines Lebens endlich zu treffen.
STILLE HOFFNUNG
    Den ganzen Tag hatte ich damit verbracht, mich an-, aus- und umzuziehen. Nichts schien mir passend oder dem Anlass entsprechend zu sein. Ich war schon frühmorgens aufgestanden, und trotz Joschs bevorstehender Ankunft hatte ich ihm noch unzählige E-Mails gesendet, aus Gewohnheit, Nervosität oder erneutem Anfragen und Zusichern meiner Gefühle, gleich welche Äußerlichkeiten mich erwarteten. Worte, die mir fehlten, ersetzte ich dabei durch Bilder.
    From: lisa
    To: josch
    Sent: Tuesday, May 28, 2002, 7:59 PM
    Subject: magengeschwür, pickel, herzrasen
    hallo, Josch,
    ja, ich hoffe das auch … und trotzdem frage ich mich, was wohl wäre, wenn … wie es wohl wäre, wenn … was du wohl so denkst … ob du mir wehtun könntest … bin verletzlich …frage mich, wie das passieren konnte … ohne sehen meine ich, ohne kennen lernen … weiß nicht mal wie viel du wiegst? ***so viel wie florian?? gg***… weiss gar nichts von dir … du könntest mir das herz brechen … ***immer wenn die herzen aufgehen, können sie kaputtbrechen
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