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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe
Autoren: Anita Shreve
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mindestens hundert Mal fotografiert. Anfangs war Patrick neugierig, dann nur noch schicksalsergeben und schließlich leicht ungeduldig wie etwa mit einem Kind, das immer wieder dasselbe Spiel spielen will.
    Als Patrick sie fragte, ob sie mit ihm nach Kenia gehen wolle, hatte sie sofort Ja gesagt. Ihr Job bei der alternativen Zeitung langweilte sie; sie hatte es satt, Kongresssitzungen und Folksänger in irgendwelchen Kaffeehäusern in Cambridge zu fotografieren. Er hatte sich vertraglich an das Nairobi Hospital gebunden, das er jederzeit als Forschungsstätte nutzen konnte, solange er dafür im Umland freie Sprechstunden abhielt, wann immer er darum gebeten wurde.
    Sie heirateten in aller Eile im Garten eines Hauses in Cambridge. Margaret trug ein langes, weißes Baumwollkleid und steckte sich die Haare hoch. Nach der Trauung saßen sie auf Gartenstühlen aus Plastik und einem eleganten Sofa, das eigens herausgetragen worden war, mit ihren Gästen beisammen und tranken Champagner. Patrick und Margaret thronten in der Mitte des edlen Sofas, wehrten freundliche Spötteleien ab und blickten hin und wieder zu den Sternen hinauf.
    Bei dem Abschiedsessen im Haus ihrer Eltern am Abend vor ihrem Abflug nach Nairobi konnte Margaret sich nicht vorstellen, wie sie es aushalten sollte, ihre Eltern und ihren zwölfjährigen Bruder Timmy, der sechzehn Jahre nach ihr geboren war – ein glücklicher Unfall, wie ihre Mutter erklärt hatte –, ein ganzes Jahr lang nicht zu sehen. Sie bat sie immer wieder, sie in Afrika zu besuchen. Nie zuvor hatte jemand in der Familie das Wort Liebe gebraucht, aber die Bindung zwischen ihnen war tief.
    Im Flugzeug hatte Margaret ein wenig Heimweh. Während des Flugs über den fremden Kontinent im Licht der aufgehenden Sonne, während sie das Gesicht ans Fenster drückte und ihr Atem ihren Blick trübte, hielt Patrick ihre Hand. Falls er besorgt war, sagte er es nicht.
    Vom Flugzeug aus sah sie all das, worüber sie gelesen hatte, um sich auf die Reise vorzubereiten: den Nil, ein langes, braunes Band; den Turkana See, ehemals Rudolf-see; das Rift Valley, einer Mondlandschaft ähnlich in seiner Weite und Unwirtlichkeit; und dann plötzlich die Ngong Berge und das Hochland, auf dem Nairobi erbaut war. In der Ferne konnte sie über den Wolken den Mount Kenya erkennen und, weiter südlich, sogar den Kilimandscharo. Kurz bevor die Maschine aufsetzte, schob Patrick ihr einen silbernen Ring mit einem kleinen Brillanten in der Mitte auf den Finger, vor der Hochzeit war er nicht dazu gekommen. Sie landeten an Margarets Geburtstag.

 
    A m Morgen nach dem ersten Gespräch über die Tour auf den Mount Kenya wurde Margaret draußen vor Dianas Haustür von einem schillernden Pfau begrüßt. Der Vogel wirkte, so nah gesehen, überirdisch, wie ein Trugbild. Er starrte sie gleichgültig an. Was er wohl von ihrer eigenen glanzlosen Erscheinung hielt?
    Wieder hatte ein Jacarandabaum seine abgeworfenen Blüten zu einem königlichen Teppich ausgelegt. Die Luft war kühl, wie frisch gereinigt. Margaret trug über ihrem gelben Baumwollkleid eine weiße Jacke mit Gürtel. Um zehn würde sie die Jacke ablegen müssen. Am Mittag würde sie nur noch im Haus sein wollen. Spätestens um drei würde sie von einem kühlen Bad im Pool des InterContinental träumen. Um sechs würde sie die Jacke wieder anziehen, und um elf würden sie und Patrick unter Daunendecken schlafen. Alles eine Sache der Höhenlage, hatte Patrick einmal erklärt.
    Margaret sog den Geruch brennenden Laubs ein, als sie zum Auto ging, das Patrick ihr dagelassen hatte. Er hatte vor mehr als einer Stunde den Bus in die Stadt genommen. Der Peugeot stand neben dem Cottage mit der immer noch defekten Toilette. Sie setzte sich hinein und stellte ihre Strohtasche links auf den Beifahrersitz. Als sie hier angekommen war, hatte sie beinahe eine Woche Probefahrten gebraucht, um sich beim Fahren auf der linken Straßenseite auch nur halbwegs sicher zu fühlen.
    Im Duft des Rauchs, den sie in den Wagen mitgenommen hatte, lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Sie fragte sich, ob Matthew, der Gärtner, Marihuana mit den Gartenabfällen verbrannte, als wäre Cannabis nicht mehr wert als dürres Holz. Absurd, dachte sie, und war dennoch ziemlich sicher, dass der Rauch irgendetwas Einschläferndes enthielt. Sie atmete tief ein. Ein nostalgischer und exotischer Duft.
    Sie schreckte hoch, als ans Fenster geklopft wurde. Arthur, in Anzug und Schlips, bedeutete ihr,
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