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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe
Autoren: Anita Shreve
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hoffnungslos scheiterte, wenn sie versuchte, das Alter von Afrikanern einzuschätzen. Am Kinn hatte sie eine tiefe Narbe, und ihr Lächeln, das schlechte Zähne zeigte, war scheu. Aber in ihrem Blick lag etwas, das Margaret nicht recht deuten konnte – etwas Unbeugsames, vielleicht auch nur Beharrliches.
    »Sagt Mami gute Nacht«, befahl Adhiambo den Kindern.
    Schon in den Schlafanzügen gingen sie zu ihrer Mutter und nahmen Küsse und Umarmungen entgegen, die wahrhaftig und hungrig wirkten, kleine Risse in der eisernen Kontrolle. Auch Arthur forderte Umarmungen und Küsse. Margaret wusste schon, dass dies zum abendlichen Ritual gehörte. Philippa mit ihrem langen braunen Haar sah aus wie ihr Vater; Edward, flachsblond, ähnelte Diana vor der Verwitterung. Anfangs hatte Margaret diese Überkreuzung der Geschlechter irritierend gefunden. Diana begann vom Reiten zu sprechen; Arthur von Tennis. In Minutenschnelle waren die Kinder und ihre Ayah verschwunden.
    »Nehmt auf jeden Fall Gamaschen mit, für den Vertical Bog«, fuhr Arthur fort. »Und Mützen, Handschuhe und Parkas gegen die Kälte.«
    »Was ist der Vertical Bog?«, fragte Patrick.
    »Ein Sumpf.« Arthur schien, ganz untypisch für ihn, einen Moment um eine Erklärung verlegen. Er breitete die Arme aus. »Sie wissen schon – ein Sumpfgebiet.«
    »Außerdem Sonnenbrillen gegen Schneeblindheit«, fügte Diana hinzu. Sie schien durch Rumoren in der Küche abgelenkt. Schon vorher war sie einmal vom Tisch aufgestanden. James und Adhiambo waren nicht die einzigen Hausangestellten. Es gab noch mehrere Männer, die in den Zwingern beschäftigt waren, und den Askari am Tor. »Und laufen Sie unbedingt Ihre Stiefel vorher ein.«
    Patrick warf Margaret einen kurzen Blick zu.
    »Ich habe gar keine Stiefel«, sagte sie. »Ich besorge mir gleich morgen welche.«
    Arthur rechnete. »Sie haben zehn, elf Tage. Das müsste eigentlich reichen, um sie einzulaufen, wenn Sie dranbleiben. Ziehen Sie zwei Paar Socken über.«
    »Ich habe vielleicht Stiefel, die Ihnen passen«, meinte Diana mit einem Blick auf Margarets Füße in den Sandalen. Dann runzelte sie die Stirn. »Hm, vielleicht doch nicht.«
    Margaret bemerkte James, der geduldig an der Tür wartete, um den Tisch abzudecken.
    Nach dem Essen wurden in einem Zimmer, das Diana den Salon nannte, Drinks gereicht. Margaret trank einen Brandy, während sie versuchte, Arthur einen Rusty Nail zu beschreiben, Scotch mit einem Schuss Drambuie. Diana saß Margaret auf einem überdimensionalen Chintzsofa gegenüber und schien darauf zu brennen, endlich loszulegen . Womit allerdings, war Margaret unklar. Es war offenbar Dianas natürlicher Zustand. Sie lebte nicht den Moment, sondern war ihm immer schon voraus. Diana war keine schöne Frau, aber sie war hübsch. Margaret schätzte sie und Arthur auf Anfang bis Mitte dreißig.
    »Wie haben Sie beide sich kennengelernt?«, fragte sie.
    Arthur, der beim Tisch mit den Getränken stand, antwortete prompt, als wiederholte er eine alte Ehelegende. »Wir sind uns in London auf einem Fest begegnet. Innerhalb von fünf Minuten hatten wir herausbekommmen, dass wir uns beide insgeheim danach sehnten, nach Afrika zu gehen. Diana, weil sie nach Kenia zurückwollte, wo sie aufgewachsen war. Ich, weil ich so weit wie möglich von London wegwollte.«
    Margaret fiel auf, dass keiner von beiden den anderen ansah, während Arthur seine kurze Geschichte erzählte. Vielleicht hörte Diana nicht zu. Vielleicht bereute sie es, diese Sehnsucht offenbart zu haben.
    Arthur hob sein Glas. Die anderen taten es ihm nach, obwohl ja eigentlich kein Toast ausgebracht worden war. Auch Arthur schien ein ruheloser Mensch zu sein, ständig unter dem Zwang, überschüssige Energie zu zügeln.
    Im ehelichen Vergleich, vermutete Margaret, fand Diana wohl, dass sie aus dem besseren Stall komme. Sie fragte sich, ob das viel zählte. Flüchtig dachte sie an ihre eigene Ehe. Patrick war irischstämmiger Amerikaner dritter Generation, typische Erbmerkmale seiner Familie waren der Hang zur Medizin, das spitz zulaufende Kinn, das schwarze Haar, das erst sehr spät grau zu werden begann, und die überraschend hellblauen Augen. Ob die äußeren Anlagen sich zu Schönheit einten, hing davon ab, wie sie sich zusammenfügten, Patrick schien ein Gutteil davon mitbekommen zu haben. Patricks Vater, ein Gynäkologe, sprach immer noch mit einem leicht irischen Akzent, der auf seine Patientinnen ungemein beruhigend wirkte.
    Margaret selbst kam
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