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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe
Autoren: Anita Shreve
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aus einer gutbürgerlichen Bostoner Unitarierfamilie von gewisser historischer Bedeutung. Ein entfernter Verwandter von ihr hatte während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs das Offizierspatent erhalten. Ihre Mutter hatte hinter ihrer Schlafzimmertür eine Plakette hängen, die das bezeugte, obwohl sie selbst fanatische Demokratin war und das schon seit Franklin D. Roosevelt.
    Arthur wandte sich Patrick zu. »Und was wird aus uns allen, wenn Kenyatta stirbt?«
    »Es wundert mich, dass wir dieses Gespräch nicht schon längst einmal geführt haben«, antwortete Patrick.
    Die Briten schienen von der Rechtmäßigkeit ihrer Präsenz in Kenia bedingungslos überzeugt zu sein. Die Amerikaner waren es nicht. Der Unterschied, vermutete Margaret, lag in Vietnam.
    Während mit Kenyatta kurzer Prozess gemacht wurde, zählte Margaret, die nichts Besseres zu tun hatte, siebzehn unterschiedliche Muster auf Stoffen und Porzellan. Sie sah sich im Zimmer um: Es hatte Strebenfenster wie das Cottage, aber da endete die Ähnlichkeit mit dem anderen Haus schon. Die Möbel im Salon waren mit Schnitzereien und Ornamenten überladen, massig und dekorativ zugleich.
    »Wer sind die anderen beiden?«, fragte Margaret.
    »Die auf die Tour mitkommen? Saartje und Willem van Buskirk. Habe ich Ihnen das noch nicht gesagt?« Diana schien verwundert über das Versäumnis.
    »Er ist bei der Hilton-Gruppe«, erklärte Arthur. Was Saartje machte, wurde nicht erwähnt. »Wir setzen uns diese Woche irgendwann mal zusammen, um zu planen. Sie werden Ihnen gefallen. Geradlinig. Ganz umkompliziert. Ich vermute, Willem hat den Mount Kenya schon mal gemacht.«
    »Daran erinnere ich mich gar nicht«, sagte Diana.
    »Er ist in der Schweiz viel geklettert, bevor sie nach Bombay gegangen sind.«
    Diana nickte, und Margaret fragte sich besorgt, welches Tempo sie in Gesellschaft eines erfahrenen Kletterers erwartete.
    »Abgesehen von Hypoxie«, erläuterte Arthur weiter, »bekommt fast jeder Probleme. Akute Höhenkrankheit. Kopfschmerzen. Schwäche. Übelkeit. Schwindel.«
    »Und das soll Spaß machen?«, fragte Margaret.
    »Ich erzähle Ihnen das alles, weil wir aufeinander aufpassen müssen«, sagte Arthur mit leichtem Tadel. »Wir müssen auf die Anzeichen achten.«
    Margaret nickte angemessen kleinlaut.
    »In den Hütten haben zwischen zehn und dreißig Leute Platz«, fuhr Arthur fort. »Geschlafen wird im Allgemeinen auf Pritschen. Es gibt Latrinen, wenn man sie so nennen möchte. Für Zimperliche ist die Reise nichts.«
    »Die Kikuyu glauben, der Berg sei heilig«, warf Patrick ein, und Margaret war dankbar für die Unterbrechung in der Reihe der Schreckensbilder. »Angeblich wohnt ihr Gott Ngai auf dem Berg, der in ihrer Sprache Kirinyaga heißt.«
    Margaret hatte einen Arzt fotografiert, der kürzlich in Roxbury, dem ärmsten – und nicht zufällig beinahe völlig schwarzen – Viertel Bostons, mehrere kostenlose Ambulanzen zur Impfung und ärztlichen Versorgung von Säuglingen und Kleinkindern eingerichtet hatte. Ihre Zeitung, ein alternatives Bostoner Wochenblatt, hatte ihr den Auftrag am Morgen erteilt. Sie hatte Mühe, den Arzt vorteilhaft abzubilden: Er trug eine Brille mit extrem dicken Gläsern, und die Deckenbeleuchtung war viel zu grell. Nachdem sie genug Aufnahmen gemacht hatte, um sicher sein zu können, dass wenigstens eine dabei war, die der Redakteur verwenden konnte, bemerkte Margaret einen zweiten Arzt, der an der Tür stand und ihr bei der Arbeit zusah. Als Margaret fragte, wo sie eine Cola und ein Sandwich bekommen könne, antwortete der Mann an der Tür als Erster. »Kommen Sie mit«, sagte er. »Ich zeige Ihnen die Kantine. Da wollte ich sowieso hin.«
    Margaret packte ihre Ausrüstung zusammen, während die beiden Ärzte irgendeine dienstliche Angelegenheit besprachen. Dann folgte sie dem zweiten Arzt zur Tür hinaus. »Patrick«, sagte er und bot ihr die Hand.
    »Margaret«, sagte sie.
    Bei einem Thunfischtoast erzählte er ihr, dass er gerade seine Facharztausbildung in Tropenmedizin abschließe. Sein Interesse an Tropenkrankheiten habe er während des Studiums entdeckt und sei seither zweimal in Afrika gewesen. Er war, fand sie, ein ausgesprochen schöner Mensch, und der ungewöhnliche Schnitt seines länglichen Gesichts faszinierte sie. Vielleicht, dachte sie, hatte sie sich in dieses Gesicht verliebt, noch bevor sie sich in den Mann verliebt hatte. Vor ihrem gemeinsamen Aufbruch nach Afrika hatte Margaret sein Gesicht
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