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Das Erbe

Das Erbe

Titel: Das Erbe
Autoren: Krystyna Kuhn
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T-Shirt in so vielen Windungen um mich herumgewickelt, als hätte mich jemand im Schlaf in die Waschmaschine gesteckt. Ich hatte keine Ahnung, weshalb ich dieses T-Shirt noch nicht aussortiert hatte. Es war das letzte, das mich an Great Falls und die Highschool erinnerte, aber keins von denen, auf denen mein Name aufgestickt war: David Freeman.
    Schon die letzten Wochen war mir das Einschlafen schwergefallen, noch schwerer aber das Aufwachen. Nacht für Nacht beobachtete ich den Wecker, wie er sich zu den frühen Morgenstunden durchfraß, und als ich schließlich aus dieser traumleeren Bewusstlosigkeit auftauchte, sickerte kein Licht durch die Vorhänge, sondern eine seltsame trübe Helligkeit.
    Seit gestern hatte ein dicker grauer Nebel das Tal im Griff. Er lagerte in dicken Schichten übereinander. Nicht einmal blitzte der Himmel durch und von der Landschaft war nichts zu sehen.
    Und nichts geschah.
    Nichts.
    Wie absurd, dass ich hier lag und grübelte, weshalb nichts passierte. Die Tage waren einem seltsamen gleichförmigen Ablauf unterworfen. Das machte es mir schwer, nicht einfach im Bett liegen zu bleiben. Gerade heute. Ich hatte keine Vorlesungen und Seminare, sondern musste mich auf die morgige Biologieprüfung vorbereiten.
    Die Matheprüfung gestern war der Horror gewesen. Ich hatte mich durch die einzelnen Aufgaben gekämpft, hatte mich gefühlt wie jemand, dem klar ist, dass er den Kampf verlieren wird, aber trotzdem weitermacht. Ich wusste allerdings, dass mein Gegner mehr die Zweifel waren als wirkliches Unverständnis für Analysis II.
    Morgen stand mir Biologie bevor, besser gesagt Humangenetik. Ein Fach, das mir mehr lag, und zwar nicht nur, weil ich fest entschlossen war, im Anschluss an das College Medizin zu studieren. Aber trotzdem fühlte ich mich, als ginge es mich nichts an, was sicherlich an der Tatsache lag, welches Datum wir morgen hatten.
    Gewillt, mich nicht von meinen Gefühlen unterkriegen zu lassen, schlug ich entschlossen die Bettdecke zur Seite.
    Disziplin. Egal was passierte. Disziplin, Kontrolle, Selbstbeherrschung. Das müsste auf meinem T-Shirt stehen.
    Im Vorbeigehen schaltete ich den PC an, der immer ewig brauchte, bis er hochfuhr. Aber ich hatte nun mal kein Geld, um mir einen neuen zu leisten.
    Es hatte Vorteile, wenn man immer Schwarz trug. Man musste nie überlegen, was man anzog. Schwarze Hose, schwarzes Hemd, Socken, Gürtel. Fertig. Eine ziemlich zeitsparende Angelegenheit, würde es mich nicht immer an die Aufgabe erinnern, die ich mir vorgenommen hatte. An diesen Berg, den ich abtragen musste.
    Im Apartment war es gespenstisch still. Chris saß mit Sicherheit schon in der Englischprüfung und von Robert war nichts zu sehen oder zu hören. Vielleicht war er in das Bibliothekszentrum gegangen, wo er in den letzten Monaten viel Zeit verbracht hatte.
    Benjamin war auch nicht da, natürlich war er das nicht. Er und Tom Levinski waren noch immer zusammen, und seitdem Benjamin ans College zurückgekommen war, hatte er immer seltener seine Nächte im Apartment im Hauptgebäude verbracht.
    Ich stellte die Kaffeemaschine an und öffnete den Kühlschrank, um festzustellen, dass wieder mal keine Milch vorhanden war. Ich überlegte kurz, ob ich hinüber zum Starbucks gehen sollte, aber dort würde ich tausend Leute treffen. Nein. Stattdessen entschied ich mich für eine Tasse schwarzen Tee und klaute einige Kekse aus Benjamins Vorrat.
    Zurück im Zimmer hatte sich der Laptop endlich bequemt, die letzten Programme hochzufahren und alle Updates durchzuführen, die sich jedes Mal selbst installierten, ohne dass ich irgendeinen Einfluss darauf hatte. Ich würde Robert bitten müssen, etwas dagegen zu unternehmen.
    Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, mir einige der Videoclips auf YouTube anzusehen, in denen Originaloperationen gezeigt wurden. Kaum einer wusste von meinem Hobby, ich hatte Angst, dass sie es morbide finden würden. Aber ich konnte mich einfach gut entspannen, wenn ich sah, wie ein Chirurg seine Arbeit erledigte. Schnell, präzise und immer Herr über Leben und Tod.
    Stattdessen nahm ich mir meine Biobücher und vertiefte mich in den Prüfungsstoff. Das Thema Genetik beschäftigte mich schon seit Langem. Die Vorstellung, alles sei festgelegt, Haarfarbe, Größe, Form der Nase, war beängstigend. Sie beinhaltete eine Chancenlosigkeit, ein Ausgeliefertsein an ein System, das sich DNA nannte.
    Aber es hatte keinen Sinn, mich mit diesen Gedanken zu quälen, auch
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