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Das Erbe

Das Erbe

Titel: Das Erbe
Autoren: Krystyna Kuhn
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Notizbuch ganz nahe an seine Augen.
    »Du solltest wieder mal zum Augenarzt, Rob.«
    »Hör auf, dich über mich lustig zu machen, David.«
    »Das meine ich ernst.«
    Aber Robert war bereits wieder in seiner eigenen Welt, von der ich nie wusste, ob sie real war oder nur ein Hirngespinst.
    Robert hatte ein schreckliches Trauma erlebt. Der Tod seiner Eltern, die Verfolgung durch die Täter, dazu die ganze mysteriöse Geschichte um seinen Vater. Er konnte damit nicht umgehen. Er konnte jede mathematische Formel lösen, er konnte blitzschnell die Grammatik einer ganze Sprache durchschauen, er konnte, ohne ein Instrument zu spielen, jedes Stück im Radio bis ins Detail analysieren, er konnte sich auf gespenstische Art in jeden von uns einfühlen, aber mit dem Tod seiner Eltern konnte er nicht umgehen.
    Es war, als ob er sich einfach in eine Art Kokon einspann, in dem er sich verstecken konnte. Ein Kokon aus Gedankenfäden, die sich so fest verknüpften, dass er sich irgendwann nicht mehr daraus befreien konnte.
    »Wir müssen ins Labyrinth.«
    Wenn Robert sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ er nicht locker. »Heute ist einer der wenigen Tage, an denen es möglich ist.«
    Ich seufzte.
    »Davon hängt alles ab, David. So schnell kommt die Chance nicht mehr.«
    »Rob, ehrlich, wie oft soll ich es noch sagen? Ich habe keine Zeit! Ich habe erst die Hälfte des Stoffes durch.«
    »Vergiss das alles. Wichtiger ist der Beweis, dass diese Formel die Geheimnisse des Tals enthält. Sie ist einfach genial. So genial, dass ich am liebsten ein ganzes Buch damit füllen würde.«
    »Aber die Prüfung …«
    »Du wirst sie bestehen.« Robert erklärte dies mit einer Sicherheit, die ich nicht empfand. »Wenn du nicht mitkommst, gehe ich allein. Du musst mir nur deine Schlüssel geben.«
    Als Studienbetreuer hatte ich Zugang zu den meisten Räumen im Collegegebäude und ich würde das Vertrauen, das die Collegeleitung in mich legte, garantiert nicht aufs Spiel setzen. »Du weißt, dass ich das nicht tun kann.«
    »Es geht hier um Erkenntnis, David.«
    »Ich will von dem Labyrinth nichts wissen.« Und bevor ich es noch verhindern konnte, fügte ich hinzu: »Ich stecke in meinem eigenen fest.«
    »Ja und deswegen bist du hier oben. Wie wir alle. Wir wissen inzwischen doch, dass das kein Zufall ist. Wir können die Dinge, die passiert sind, nicht einfach ignorieren. Das hieße, das Schicksal herauszufordern. Wieder und wieder.«
    »Du klingst wie der Dalai-Lama.«
    »Kann sein. Aber das ist nun mal der Kern der Sache. Die Verbindung zwischen Spiritualität und Wissenschaft.«
    Ich gab keine Antwort darauf. Was hätte ich auch sagen sollen? Normalerweise diskutierte ich gern mit Robert, aber gerade heute hatte ich andere Sachen im Kopf.
    »Weißt du«, sagte Robert schließlich, »für jeden von uns gibt es bestimmte Tage im Jahr, an denen man weitergehen muss. Man kann nicht immer an derselben Stelle stehen bleiben.«
    Niemand hier wusste, was für ein Tag morgen war.
    »Was genau willst du mir jetzt damit sagen?«
    »Ich glaube, du verstehst mich sehr gut. Ich weiß einfach, heute wird etwas passieren, was dich und uns verändern wird. Kommst du jetzt mit?«
    Seufzend nickte ich.
    Dabei fürchtete ich nichts mehr, als in dieses Labyrinth zurückzukehren. Ich hatte den versteinerten Leichnam nicht vergessen, fühlte noch manchmal, wie mein Knie steif wurde, auch wenn mich die Ärzte für gesund erklärt hatten. Aber konnte ich Robert alleine dort hinuntergehen lassen?
    Nein, das war unmöglich. Er war vermutlich der Einzige von uns allen, der nicht im Tal war, um zu vergessen. Robert hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Er hatte einen Schwur geleistet und Robert war jemand, der sich an so etwas hielt.

3. Im Zeichen des Donners
    Code 111.
    Code 111.
    Es dauerte lange, bis Rose die Angst fühlte. Sie kündigte sich langsam an, irgendwie verzögert, wie gebremst durch den Gedanken, dass es nicht sein konnte. Nicht hier. Nicht jetzt. Niemals.
    Beruhigt registrierte sie, dass die anderen ähnlich reagierten. Katie saß da wie zuvor. Den Füller in der Hand, starrte sie Tom an wie ein lästiges Insekt. Nur eine Handbewegung und er würde verschwinden.
    Aber Tom verschwand nicht einfach. In seinem Gesicht spiegelten sich Anspannung und so etwas wie Triumph. Er war und blieb ein Showman und war nicht gewillt, diese Rolle aufzugeben – egal, in welche Situation er geriet.
    Julia klammerte sich an Chris, der ungläubig auf den Lautsprecher
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