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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin
Autoren: Monika Felten
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andere Klänge hinzu und vereinigten sich schließlich zu jener wundersamen Melodie, die Ajana vergessen glaubte.
    Es ist ein Zeichen, dachte Ajana und fühlte, wie neue Hoffnung in ihr aufkeimte. Ohne lange zu überlegen, stimmte sie in Gedanken mit ein. Erst stockend, dann immer sicherer.
    Lange Zeit geschah nichts, doch gerade als sie aufgeben wollte, bemerkte sie, dass wieder Bewegung in die Nebel kam. Mit jedem neuen Ton erwachte auch das weiße Feuer ein Stück weiter zum Leben, und ein neuer Lichtfaden wob sich in das Geflecht. Ajana spürte, wie sich etwas ihres Geistes bemächtigte, doch diesmal hieß sie es willkommen und wehrte sich nicht, als sie davongetragen wurde.
     
    Ein vertrauter Geruch lag in der Luft, als sie erwachte. Sie lag auf dem Boden, und ihr war übel. Vorsichtig öffnete sie die Augen und erkannte im Halbdunkel die Umrisse vertrauter Möbelstücke. Fahles Mondlicht fiel durch ein Fenster. Die Vorhänge waren nicht zugezogen.
    Das Klavierzimmer.
    Ich bin zu Hause.
    Ein heißes Glücksgefühl erfasste Ajana. Sie richtete sich auf und blickte sich um. Seit ihrem Weggang hatte sich hier nichts verändert. Der schwarze Hocker, das wuchtige Klavier, der Beistelltisch aus Mahagoni, alles stand noch genau an seinem Platz. Sogar die Blumen auf der Fensterbank, so schien es ihr, hatten die Zeit ihrer Abwesenheit unbeschadet überstanden. Alles war vertraut – und doch war es ihr auf eine unbestimmte Weise fremd.
    Es ist, als sei ich ein Geist, der durch sein früheres Haus spukt, dachte sie, und der Gedanke, dass dies hier vielleicht wirklich nur eine Vision war, schoss ihr siedendheiß durch die Glieder. Hastig schloss sie die Augen und sog die Luft noch einmal durch die Nase ein. Es roch nach Möbelpolitur, Leder und nach dem Waschmittel, das ihre Mutter schon seit Jahren verwendete.
    Ich bin zu Hause.
    Überglücklich erhob sie sich, lief zur Tür und griff nach der Klinke, um ihre Eltern zu suchen, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne und fuhr sich mit der Hand durch das verfilzte Haar. So kann ich ihnen unmöglich gegenübertreten, dachte sie mit einem Blick auf die schlichte Tunika des Dschungelvolks. Ich sehe ja aus wie ein Wilde.
    Verzagt löste sie die Hand von der Türklinke.
    In ihren eigenen, sauberen Kleidern würde sie vielen unangenehmen Fragen aus dem Weg gehen können. Die Brandwunde auf dem Arm würde schon schwer genug zu erklären sein.
    Aber wie konnte sie unbemerkt in ihr Zimmer gelangen?
     
    Ajana lauschte. Im Haus war alles still.
    Wie ein Dieb in der Nacht öffnete sie die Tür des Musikzimmers, spähte durch den Türspalt und huschte auf den Flur hinaus. Vor ihr lag die Küche, daneben das Wohnzimmer. Die Tür stand offen. Als sie vorbeischlich, streifte ein würziger Duft ihre Nase und weckte Erinnerungen in ihr. Erinnerungen an eine glückliche Kindheit und festliche Stunden im Kreise der Familie. Tannenduft.
    Sie ging zur Tür und spähte ins Wohnzimmer. Der Mond schien hell durch das große Terrassenfenster. Im Garten lag Schnee. Auf dem Tisch vor dem Kamin stand ein Adventskranz. Die vier Kerzen waren fast heruntergebrannt. Daneben lag eine Zeitung. Ajana trat näher, um das Datum zu lesen: 18. Dezember 2004.
    Sieben Monate.
    War ich auch hier so lange fort?, überlegte sie. Irgendwie hatte sie gehofft, dass es sein würde wie in den Abenteuerromanen, in denen die Helden immer genau zu dem Zeitpunkt zurückkamen, an dem sie aufgebrochen waren.
    Ajana nahm die Zeitung zur Hand und hielt sie ins Mondlicht. Das Datum änderte sich nicht. Es war eben doch nicht wie in den Romanen. Mit einem Schlag waren ihr die verfilzten Haare und die seltsame Kleidung gleichgültig. Sie wollte nur noch eines: endlich ganz zu Hause sein. Mit großen Schritten hastete sie die Treppe hinauf zum Schlafzimmer ihrer Eltern.
    »Mam? Dad?« Sie riss die Tür auf und blieb wie angewurzelt stehen. Die Betten waren leer.
    »Rowen?« Im Zimmer ihres Bruders bot sich ihr das gleiche Bild. Rowen war nicht da. Der Geruch von kaltem Rauch verriet ihr jedoch, dass er vor nicht allzu langer Zeit hier gewesen sein musste.
    »Das darf nicht wahr sein.« Ajana ließ den Kopf hängen. So hatte sie sich die Heimkehr nicht vorgestellt.
    Entschlossen stand sie auf und ging in ihr Zimmer, um sich saubere Kleidung zu holen. Sie fand den Raum vor, wie sie ihn verlassen hatte. Niemand hatte etwas verändert. Das Bett war frisch bezogen, ganz so, als wäre sie nur kurz weg gewesen: Der alte Plüschbär
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