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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin
Autoren: Monika Felten
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auf. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Nicht schon wieder.
    Um sich abzulenken, zog sie den Bademantel über, schlüpfte in die Hausschuhe und schlich die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. Lautlos öffnete sie die Terrassentür und trat hinaus in den winterlichen Garten. Auch hier waren ihr die Gerüche seltsam fremd, wenngleich viele Erinnerungen darin mitschwangen. Erinnerungen an ein Leben, das längst Vergangenheit war.
    Der Garten war groß. Ajana wählte den Weg, ohne darüber nachzudenken, wohin sie ging. Schnee knirschte unter ihren Füßen. Ihr Atem stieg in der frostklaren Luft als weiße Wolke vor ihr auf. Sie schaute geradeaus, ohne etwas wahrzunehmen, und lauschte, ohne etwas zu hören. Ihr war nicht einmal kalt. Sie fühlte nichts.
    Wer bin ich?
    All die Jahre zuvor hatte sie die Antwort auf diese Frage zu kennen geglaubt. Ihr Leben war in ruhigen Bahnen verlaufen, und der Weg, den sie einmal gehen würde, schien vorgezeichnet. Sie hatte eine Familie und Freunde, die sie liebten, und war bereit gewesen, das leere Buch der Zukunft mit eigenen Worten und Taten selbst zu schreiben.
    Aber sie hatte sich getäuscht. Die Antwort war falsch.
    So falsch, wie ihre Herkunft und das Wissen um jene, die vor ihr waren. Sie war mehr als nur ein Menschenkind, mehr als ein Spross derer, die sie geboren und aufgezogen hatten. Das elbische Blut in ihr war stark. Generationen waren vergangen, und dennoch war sie auch ein Kind der Elben, Tochter Gaelithils, Hüterin der Magie, Beschützerin Nymaths und Bewahrerin der Runen.
    Schon in Nymath hatte sie erkannt, dass sie all dies fortan zu tragen und zu verschweigen hatte. Sie hatte nicht darum gebeten und es mit Sicherheit nie gewollt, doch war es etwas, das sie niemals würde abschütteln können und das von nun an unerschütterlich zu ihrem Leben gehörte.
    Das Wissen darum hatte sie verändert. Aber nicht nur ihr Erbe und die Liebe zu Keelin, auch das Leben in Nymath mit all der Freude und dem Leid, mit den schönen und traurigen Augenblicken hatte sie geprägt. Sie würde niemals wieder so sein wie vor ihrem sechzehnten Geburtstag.
    »Du bist erwachsen geworden!«, hatte ihre Mutter am Nachmittag zu ihr gesagt und damit weit mehr Recht gehabt, als sie ahnte.
    Wer bin ich?
    Ajana seufzte, legte den Kopf in den Nacken und blickte zum sternenklaren Himmel empor. Im Norden erkannte sie den Großen Wagen – dort, wo in Nymath das Schwert der Könige am Himmel gestanden hatte.
    Das Schwert der Könige!
    Der Anblick des prächtigen Sternbilds formte sich wie von selbst in ihren Gedanken und weckte schmerzliche Erinnerungen in ihr.
    Sie spürte, wie ihr die Tränen kamen, und ließ sie fließen, als sie an die eine kostbare und unvergessliche Nacht zurückdachte, die sie in Keelins Armen unter dem Sternenhimmel Nymaths verbracht hatte. Eine Nacht, deren wahre Bedeutung sie erst seit ein paar Tagen kannte.
    Ein Geschenk, dachte sie bei sich und wischte die Tränen mit dem Ärmel des Bademantels fort. Es ist sein Abschiedsgeschenk an mich.
    Sie senkte den Kopf und blickte an sich herunter, dorthin, wo ihre Hände schützend auf ihrem Bauch ruhten. Dann schloss sie die Augen, atmete tief durch und lauschte. Tief in sich spürte sie den Keim eines neuen Lebens, der sich zaghaft regte.
    Ein Mädchen! Es war das elbische Erbe, das ihr die Gewissheit zuflüsterte. Ajana lächelte. Keelin hatte sein Leben gegeben, um sie zu retten, aber er hatte sie nicht allein zurückgelassen.
    Sie war nicht sicher, wie ihre Umwelt die Kunde aufnehmen würde, doch nach allem, was vorgefallen war, fühlte sie sich stark genug, auch dieses Abenteuer zu bestehen.
    Sie würde dieses Kind bekommen. Sein Kind. Und irgendwann in ferner Zukunft, dessen war sie sich ganz sicher, würde sie ihre Tochter an die Hand nehmen und mit ihr ins Klavierzimmer gehen, um ihr die Welt ihres Vaters zu zeigen.

Anhang

Glossar
     
    Abbas: Küchenjunge vom Blute der —> Wunand, —> Keelins bester Freund
    Ajabani: Bund der Meuchelmörder —> Andaurien
    Ajana Evans: junge Deutsche, die ein geheimnisvolles Amulett erbt
    Andaurien: Land im Norden der Wüste, aus dem die Menschen nach —> Nymath geflohen sind
    Arnad: Fluss, dessen Quell im unpassierbaren —> Pandarasgebirge entspringt
    Asnar: Gott der ruhenden Macht, des Krieges und der Verteidigung, Bruder von —> Callugar, verehrt von den —> Katauren
    Asnarklinge: rituelles, geflammtes Richtschwert der —> Katauren —> Bayard ist der Einzige, der damit
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