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Das Erbe der Phaetonen

Das Erbe der Phaetonen

Titel: Das Erbe der Phaetonen
Autoren: Georgi Martynow
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größer, und Olga zweifelte nicht an seinen eisernen Muskeln. Er hatte ein stark sonnverbranntes Gesicht, einen schmalen Mund und ungewöhnlich schöne Augen, deren Blau ins Grün- liche spielte. Von langen schwarzen Wimpern eingefaßt, wirk- ten sie wie zwei makellos klare Aquamarine.
       Olga wußte, wer Orlow war. Er hatte sich trotz seiner Jugend bereits als Astronom einen Namen gemacht. Belopolski, der mit seinem Urteil stets sehr vorsichtig war, nannte ihn seinen talentiertesten Schüler.
    ,,Was führt Sie hierher?“ fragte Melnikow.
    „Ich möchte mir endlich einmal unser Raumschiff ansehen.“
    „Was?“ rief Olga erstaunt. „Sie haben es noch nicht gesehen?“
       Orlow lachte. Sein Lachen war rein und glockenhell wie das eines jungen Mädchens. Das Weiß seiner Zähne schien sein Ge- sicht aufzuhellen.
       „Ich bin kein enthusiastischer Kosmonaut“, sagte er. „Ich fliege nur deswegen mit, weil diese Expedition auch auf einem Aste- roiden landen will. Asteroiden sind nämlich meine Spezialität.“
       „Interessiert Sie etwa das Schiff nicht?“
       „Wie Sie sehen, interessiert es mich. Aber ich hatte bisher keine Zeit, es mir anzusehen. Außerdem ...“ Er beugte sich vor und flüsterte Olga ins Ohr: „Ich habe Angst vorm Fliegen. Ich fürchte, nach dem Anblick des Raumschiffes mein seelisches Gleichgewicht zu verlieren. Sagen Sie bloß Boris Nikolajewitsch nichts davon!“
       „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.“
       „Aber gewiß doch! Ich habe Angst, und ich finde das gar nicht beschämend.“
       „Warum haben Sie sich denn bereit erklärt, zu fliegen?“
       „Es muß sein“, erwiderte er schlicht.
       Aus dem Ton, in dem diese Worte gesprochen wurden, schloß Olga, daß Orlow vor nichts zurückschrecken würde, was immer die Wissenschaft von ihm auch verlangen mochte.
       Melnikow öffnete eine hohe zweiflügelige Tür. Olga hatte er- wartet, in einen weiteren Raum zu treten, aber es war ein Irrtum. Hinter der Tür führte eine schmale Marmortreppe nach unten. Sie gelangten auf einen Bahnsteig, der so sehr einem Bahnsteig der Metro glich, daß Olga verdutzt auf der untersten Stufe stehen blieb.
       Alles war hier unten wie auf einer U-Bahn-Station. Blanker Steinfußboden, Marmorwände mit Bronzeverzierungen, eine schwarze Tunnelöffnung, Schienen und figurative Beleuchtungs- körper an der halbrunden Decke. Aber alles war so klein ge- halten, daß es eher wie das Modell einer Station wirkte. Am Bahnsteig stand ein winziger hellblauer Wagen, der ebenso wie die Metrozüge Schiebetüren besaß. Im Innern befanden sich Polstersitze. Den Abmessungen und der Anzahl der Sitze nach war der Wagen offenbar für zehn Personen berechnet. Stehen konnte man darin nicht, sondern nur sitzen wie in einem Auto.
       „Was ihr hier seht“, sagte Melnikow, „ist das Verkehrsmittel unseres modernen Raketenflughafens. Na, wie gefällt es euch?“
       „Ich finde es interessant“, antwortete Orlow.
       „Und wer steuert den Wagen?“ fragte Olga.
       „Niemand. Unsere Metro ist voll automatisiert. Seht einmal, auf der Tafel brennt ein grünes Lämpchen. Das heißt: Die Strecke ist frei, Sie können fahren. Ich bitte, Platz zu nehmen!“
       „Also ist dies nicht der einzige Wagen?“
       „Setzt euch! Ihr werdet es gleich sehen.“
       Olga bückte sich, stieg ein und setzte sich. Ihre Begleiter folg- ten ihr. Vorn, hinten und an den Seiten des Wagens befanden sich Fenster, und wenn man voraus in den Tunnel blickte, der sich ins Ungewisse verlor, konnte man eine lange Reihe von grünen Lichtern erkennen. Auch hinter sich sah man eine Lichter- kette. Allerdings war der Tunnel nach vorne zu gerade und lief in der Ferne zu einem Punkt zusammen, während er nach hinten seitwärts abbog.
       Melnikow setzte sich neben Olga.
       „Drück auf den Knopf mit der Aufschrift ,Zentrale'“, sagte er.
       „Das ist ja ganz wie im Fahrstuhl.“
       „Es ist dasselbe Prinzip.“
       An jedem Sitz war eine kleine Tafel mit zwei Knöpfen an- gebracht. Auf dem einen stand „Zentrale“, auf dem anderen „Hafen“. Olga drückte auf den ersten.
       Die Türen schlossen sich, der Wagen fuhr weich an.
       „Schaut einmal nach hinten“, sagte Melnikow.
       Als sie sich umdrehten, sahen sie, daß ein Triebwagen, der wie der ihre aussah, auf dem frei gewordenen Platz hielt.
       „Wieviel solcher Wagen gibt es hier?“ fragte
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