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Das Erbe Der Loge: Roman

Das Erbe Der Loge: Roman

Titel: Das Erbe Der Loge: Roman
Autoren: Hef Buthe
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Herrn und den Glimmstängel aus dem Mund.
    Der Professor war für ihn ein unbeschriebenes Blatt.
 
    Das Diner war perfekt arrangiert und von erlesener Qualität.
    Kögel schien seine guten Vorsätze vergessen zu haben, ein paar Kilo abnehmen zu wollen. Auch der Professor bediente sich, als habe er nur für dieses Essen tagelang gefastet.
    Nur die Vorspeise hatte den Kommissar und mich ins Schwanken gebracht, was das denn nun sein sollte. Es sah aus wie eine ausgebleichte Frikadelle, die man in Fischhaut eingewickelt hatte.
    Nur der Professor hatte jubelnd zugegriffen - »›Gefillte Fisch‹, dass ich das noch einmal erleben darf!« - und das gleich zum Anlass genommen, uns die Entstehung, Zusammensetzung und Geschichte dieser Speise zu erklären.
    Laienhaft ausgedrückt, war es eine kalte Fischfrikadelle, die nicht gebraten, sondern in einem Sud aus Gemüse und Fischgräten geköchelt wurde. Die Fischhaut wurde herumgewickelt, damit sie dabei nicht auseinander fiel. Der erkaltete und gelierte Sud wurde dazu gereicht.
    Auch wenn man ihren Ursprung im armen polnischen Judentum des vorvorletzten Jahrhunderts vermutete, zu Zeiten also, in denen Fleisch und Öl zum Braten unerschwinglich waren, würgten wir beide jeweils nur eine der Höflichkeit halber mit einer ganzen Flasche Carmel Sauvignon Blanc hinunter.
    Den Rest sicherte sich der Professor als Wegzehrung, wie er schmunzelnd bemerkte.
 
    »Nun«, begann Hannah nach einem süßen Mandellikör, der meinen dringenden Wunsch nach einem Bier nur noch verstärkte, »ich habe den Professor gebeten, mir zu helfen. Er ist in dieser Stadt geboren, konnte vor den Nazis fliehen und ist gleich nach dem Krieg zurückgekommen. Kaum jemand kennt die neuere Stadtgeschichte so wie er. Aber bitte, Isaak, erzähl du.«
    Waren es gute oder schlechte Erinnerungen, die den Professor bewogen, nach einem überreichlichen Essen noch einen weiteren ›gefillten Fisch‹ zu verspeisen? Oder konnte man davon süchtig werden?
    »Ja, ähm«, begann er mit vollem Mund, »es gab bis etwa 1934 eine jüdische Freimaurerloge.«
    Er spülte den letzten Bissen endlich mit einem Likör hinunter.
    »Es war eine angesehene Loge, die sogar von Kaiser Wilhelm 1896 ihre Ernennung erhalten hatte. Die Aufzeichnungen, die ich fand, besagen, dass es um die fünfzig Logenbrüder gewesen sein müssen. Alles hochgestellte Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Forschung. Die Loge muss sehr sozial eingestellt gewesen sein, denn ich habe im Stadtarchiv ein paar Aufzeichnungen gefunden, die belegen, dass sie sich in der schlechten Zeit bis 1932 stark um so genannte Randgruppen gekümmert hat. Das waren Kriegskrüppel von 1914-18, Kriegerwitwen und Waisen. Ab 1934 verschwindet jeder weitere Hinweis auf die Loge.«
    Er goss sich erneut einen Mandellikör ein und griff nach einem »gefillten Fisch«. Zog aber die Hand zurück, als schwebe plötzlich ein nur für ihn sichtbarer Geist darüber.
    »Ja, wo war ich stehen geblieben?«, tauchte er wieder in die Realität. »Ach so. Es gibt seitdem keine Spuren mehr von der Loge und den Brüdern. Als mich aber Hannah auf den Inhalt des Kastens aufmerksam gemacht hat, bin ich zu meinem Freund, dem Dompropst. Wir spielen gelegentlich noch Schach miteinander. Er hat mir Einsicht in die Restaurierungsbücher gewährt.«
    Kögel, der den Ausführungen eher gelangweilt gefolgt war und aus seiner Serviette ständig neue Skulpturen gefaltet hatte, horchte auf.
    »In diesem Jahrhundert hat am Nordturm vorher nur einmal ein Gerüst gestanden, um die schlimmsten Schäden des Bombenangriffs von 1943 zu beheben. Und das war 1953.«
 
    Es entstand plötzlich ein Schweigen im Raum, als habe dieses Datum bei allen einen Schock ausgelöst.
    Der Professor sackte in sich zusammen und ließ den Kopf auf die Brust fallen, Kögel erwürgte seine Serviette, Hannah zündete sich eine Zigarette an, und ich war benommen wie nach einem K.o.-Schlag.
    »Joshua, bringen Sie bitte den Professor nach Hause. Er ist müde«, unterbrach Hannahs Stimme meinen einsetzenden Denkprozess, der sich nicht wesentlich von dem Kögels unterscheiden durfte. »Und nehmen Sie den ›gefillten Fisch‹ für ihn mit. Lassen Sie sich vom Kellner eine Folie geben. Es ist die Leibspeise des Professors. Dann brauche ich Sie nicht mehr. Danke.«
    Joshua machte sich erst gar nicht die Mühe, den alten Mann zu wecken, sondern trug ihn mitsamt dem Stuhl aus dem Raum. Den Teller mit den Fischfrikadellen balancierte er mit der anderen
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