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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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bezahlen, Jarl. Du weißt, auf welche Weise.«
    Crach an Craite stand auf, streckte sich, die Züge seines wettergegerbten Gesichts wurden hart. Mit einer raschen Bewegung zog er das schmucklose, einfache stählerne Schwert aus der Scheide, entblößte den linken Unterarm, der von breiten hellen Narben bedeckt war.
    »Ohne theatralische Gesten«, fauchte die Königin. »Geh sparsam mit deinem Blut um. Ich habe gesagt: eines Tages. Denk dran!«
    »Aen me Gláeddyv, zvaere a’Bloedgeas, Ard Rhena, Linors aep Xintra!« Crach an Craite, der Jarl der Skellige-Inseln, hob die Hände, schüttelte das Schwert. Die Krieger schrien heiser und abgehackt, schlugen mit den Waffen an die Schilde.
    »Ich nehme den Eid an. Geleite uns zum Fort, Jarl.«
    Ciri erinnerte sich an die Rückkehr von König Eist, sein versteinertes, bleiches Gesicht. Und an das Schweigen der Königin. Sie erinnerte sich an das trübsinnige, schreckliche Mahl, bei dem sich die wilden, bärtigen Seebären von Skellige allmählich in bedrückender Stille betranken. Sie erinnerte sich an das Flüstern. Geas Muire  ... Geas Muire!
    Sie erinnerte sich an die Ströme dunklen Bieres, die auf den Fußboden gegossen wurden, die Hörner, die unter Ausbrüchen ohnmächtigen, verzweifelten, sinnlosen Zornes an den steinernen Wänden zerbrochen wurden. Geas Muire! Pavetta!
    Pavetta, die Prinzessin von Cintra, und ihr Mann, Prinz Duny. Ciris Eltern. Verschollen. Umgekommen. Es hatte sie Geas Muire getötet, der Fluch des Meeres. Ein Sturm hatte sie verschlungen, den niemand vorhergesehen hatte. Ein Sturm, den es nicht hätte geben dürfen  ...
    Ciri drehte den Kopf weg, damit Yennefer die Tränen nicht sah, die ihr in den Augen standen. Wozu das alles, dachte sie. Wozu diese Fragen, diese Erinnerungen? In die Vergangenheit führt kein Weg zurück. Es gibt sie alle nicht mehr. Weder Papa noch Mama, noch die Großmutter, sie, die die Ard Rhena war, die Löwin von Cintra. Onkel Crach an Craite ist sicherlich auch umgekommen. Ich habe niemanden mehr und bin jemand anders. Es führt kein Weg zurück  ...
    Die Zauberin schwieg, in Gedanken versunken.
    »Haben damals deine Träume angefangen?«, fragte sie plötzlich.
    »Nein.« Ciri überlegte. »Nein, nicht damals. Erst später.«
    »Wann?«
    Das Mädchen zog die Nase kraus. »Im Sommer  ... dem vorher  ... Denn im nächsten Sommer war schon Krieg  ...«
    »Aha. Das heißt, die Träume haben nach der Begegnung mit Geralt im Brokilon begonnen?«
    Sie nickte. Auf die nächste Frage werde ich nicht antworten, beschloss sie. Doch Yennefer fragte nicht. Sie stand auf, blickte zur Sonne.
    »Na, genug gesessen, Eulchen. Es wird spät. Wir suchen weiter. Die Hand locker nach vorn, nicht die Finger anspannen. Vorwärts.«
    »Wohin soll ich gehen? In welche Richtung?«
    »Das ist egal.«
    »Die Adern sind überall?«
    »Fast. Du wirst lernen, sie zu entdecken, sie im Gelände zu finden, solche Punkte zu erkennen. Anzeichen dafür sind verdorrte Bäume, zwerghafte Pflanzen, Stellen, die von allen Tieren gemieden werden. Außer von Katzen.«
    »Katzen?«
    »Katzen lieben es, auf den Intersektionen zu schlafen und auszuruhen. Es sind viele Geschichten von magischen Tieren im Schwange, aber in Wahrheit ist die Katze – neben dem Drachen – das einzige Geschöpf, welches Kraft aufzunehmen vermag. Niemand weiß, wozu die Katze sie aufnimmt und was sie damit macht  ... Was ist?«
    »Ooh  ... Dort, in dieser Richtung! Da scheint etwas zu sein! Hinter diesem Baum!«
    »Ciri, phantasiere nicht. Eine Intersektion spürt man, wenn man darüber steht  ... Hmmm  ... Interessant. Ich würde sagen, ungewöhnlich. Spürst du wirklich einen Zug?«
    »Wirklich!«
    »Also gehen wir. Interessant, interessant  ... Na, orte sie. Zeig, wo.«
    »Hier! An dieser Stelle!«
    »Bravo. Hervorragend. Spürst du die leichte Krümmung des Ringfingers? Siehst du, wie er sich nach unten neigt? Merk dir, das ist das Signal.«
    »Kann ich Kraft schöpfen?«
    »Warte, ich überprüfe sie.«
    »Frau Yennefer? Wie ist das mit diesem Schöpfen? Wenn ich Kraft in mich aufnehme, dann fehlt sie ja vielleicht dort unten. Darf man das? Mutter Nenneke hat uns gelehrt, dass man nichts einfach so nehmen darf, zum Spaß. Sogar die Kirschen muss man an den Bäumen lassen, für die Vögel und dass sie einfach herunterfallen.«
    Yennefer umarmte sie, gab ihr einen leichten Kuss auf die Schläfe. »Ich wünschte«, murmelte sie, »das, was du gesagt hast, hätten
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