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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman
Autoren: Karla Weigand
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einen Riegel vorschieben.
    »Darauf trinke ich«, sagte Karl Meusle spontan und hob sein Glas. Die beiden anderen Herren und der Geistliche taten es ihm umgehend nach. Die Stadtapotheke und ihre
fragwürdige Neubesetzung, beziehungsweise das Unrecht gegen die tatsächliche Erbin, Magdalena Scheitlin, gerieten angesichts dieser Neuigkeit sofort in Vergessenheit.
    Seit langem stand es in der Tat sehr schlecht um die Sancta Ecclesia.
    »Wie schon eine alte Fischerweisheit sagt, dass nämlich der Fisch am Kopf zu stinken anfängt, so verhält es sich auch mit Mutter Kirche: Ausgerechnet die Päpste sind es, die ihr das schlimmste Unheil zufügen«, räsonierte Karl Meusle und blickte den Stadtpfarrer dabei herausfordernd an. Finsterwald und Scheuringer murmelten zustimmend, nur der Wirt der Ratsstube hielt sich mit Kommentaren zurück, machte jedoch lange Ohren.
    Der Geistliche vermochte dem Ratsherrn nicht zu widersprechen, obwohl ihm dessen Wortwahl offensichtlich nicht schmeckte.
     
    Nach Jahrzehnten, in denen die von Gott Gesandten in ihrer Machtbesessenheit, Dekadenz und Grausamkeit den römischen Imperatoren der Antike in nichts nachstanden und mit ihren Bluttaten die Annalen der Geschichte füllten, zählte das gläubige Christenvolk im augenblicklichen Jahre des Herrn 1414 nicht »nur« zwei Heilige Väter sondern gar drei – eine Herausforderung für die Statuten der Kirche und für den Glauben jedes Einzelnen:
    Nämlich Benedikt XIII. mit Sitz in Avignon, Gregor XII. in Rom und schließlich Johannes XXIII., der in Pisa regierte.
    Die Freude und Genugtuung des Ravensburger Stadtpfarrers über ein allgemeines Konzil war also gut nachzuvollziehen. Auch die Stadträte sowie der Schultheiß begrüßten diese Ankündigung aufs Lebhafteste.
    »Irgendeiner muss doch endlich den Saustall ausmisten«,
knurrte Scheuringer, und der Pfarrer hob jetzt doch mahnend den Zeigefinger ob dieser schwäbischdeftigen Ausdrucksweise.
    »No, no«, bremste er den Übereifrigen, »nur net gar so heftig!«
    »Ist doch wahr«, verteidigte sich der Ratsherr. »Ich finde es jedenfalls sehr gut, dass unser Sigismund das Schisma endlich beenden will. Dann sollen die hohen Herren aber bitteschön auch gleich die ganze Kirche reformieren.«
    »Ganz recht«, sprang ihm der Schultheiß bei. »Was sich da in den letzten hundertzwanzig Jahren an Dreck angesammelt hat, muss mit eisernem Besen weggekehrt werden. Und wer soll es machen? Ein Neuanfang kann nur von Deutschland ausgehen.«
    »Warum das?«, wollte Meusle wissen. Er freute sich zwar auch über die gute Neuigkeit, hätte es aber auch für gut befunden, wenn dieses Konzil in einem anderen Land stattgefunden hätte.
    »Überlegt doch mal«, meldete sich der Geistliche jetzt zu Wort. »Erst aber muss ich noch einen Schluck von diesem köstlichen Roten nehmen. Ah!« Pfarrer Simon leckte sich die Lippen und rülpste diskret.
    »England hat sich schändlicherweise bereits seit längerer Zeit von unserer Mutter Kirche abgewandt. Es verfolgt einen eigenen Weg und schert sich anscheinend überhaupt um keinen Papst mehr. Und unser Nachbar Frankreich hat ebenfalls begonnen, einen speziellen Weg zu einer Art Staatskirche einzuschlagen.«
    »Ja, die Franzosen haben zu Anfang unseres Jahrhunderts das Bestreben der französischen Kirche nach Eigenständigkeit und weitestgehender Unabhängigkeit vom Papst, die sogenannten Gallikanischen Freiheiten verkündet, die dem
Papst nur noch einen ganz geringen Einfluss auf die französische Kirche gewähren sollen – und ihm kaum noch Einkünfte garantieren«, fiel ihm der Schultheiß ins Wort. »So bleibt der Kirche bloß noch Deutschland als Opfer für seine höchst komplizierten fiskalischen Ansprüche …«
    »Was heißt hier ›Opfer‹, mein lieber Jodok?« Der Stadtpfarrer war regelrecht entsetzt. »Die Kirche hat eine Menge an Aufgaben, die sie ohne …«
    »Ja, ja, Hochwürden! Das wissen wir. Aber mehr darf’s nimmer werden, was die Heilige Mutter Kirche uns abverlangt. Es ärgert einen nämlich schon, wenn sich alle anderen drücken und nur wir dummen Deutschen die Melkkühe abgeben sollen. Dabei hört man bloß von unsagbarem Prunk und Pomp, in dem Kardinäle und Päpste sich gefallen. «
    »Und die teure Mätressenwirtschaft erst, derer sich die frommen Herren befleißigen!«, setzte Scheuringer noch eins drauf. »Von dem Gold, das die Prälaten ihren Huren in den Arsch stecken, könnten überall Armenhäuser und Spitäler gebaut und unterhalten
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