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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman
Autoren: Karla Weigand
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tun! Und die soll man einem unmündigen Weibsbild anvertrauen? Außerdem ist die Magdalena, soweit ich weiß, in einem Kloster am Bodensee.
    Und wie ihr Oheim Mauritz behauptet hat, will sie sogar für immer in den Orden eintreten. Damit hat sich die Angelegenheit sowieso erledigt. Zum Glück hat der neue Apotheker einen Sohn, der einmal sein Nachfolger werden kann.«
    »Oje!« Burkhard Scheuringer lächelte spöttisch. »Ausgerechnet der Bertwin! Dieser Luftikus und Tunichtgut! Der, wenn er die Arbeit nur von weitem riecht, meilenweit davonläuft. Der soll sich mit Arzneimitteln auskennen? Von dem sagen die Ravensburger, er könne eine Apfelbaumblüte nicht von einem Gänseblümchen unterscheiden – und es schert ihn auch nicht. Der treibt sich lieber mit zweifelhaften Gestalten in der Gegend herum!«
    »Die Leut’ schwätzen viel, wenn der Tag lang ist.«
    Finsterwald ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, aber die zwei Männer spürten, dass ihm das Thema nicht besonders behagte.
    »Sein Vater, der Mauritz, ist nicht viel besser«, fing Karl Meusle wieder an. »Was ist er denn schon? Ein armseliger, etwas dubioser Pillendreher, der früher über Land gezogen ist und Sachen aus der ›Dreckapotheke‹ verhökert hat: Krötenaugen,
Mäusekot, Schlangenhäute und pulverisierte Marderzähne. Später hat er sich in Altdorf als Bader niedergelassen und den Leuten die faulen Zähne gezogen. Manch einem soll er auch die gesunden Beißer herausgerissen und einigen dabei den Kiefer gebrochen haben. Eine Medizinschule hat der, im Gegensatz zu seinem Bruder Georg, sicher nie von innen gesehen!«
    »Das trifft genauso auf die Magdalena zu«, erwiderte der Schultheiß mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. Die Diskussion ging ihm allmählich auf die Nerven. Außerdem war die Sache ja bereits entschieden.
    »Das junge Frauenzimmer hat jahrelang vom eigenen Vater die beste Unterweisung erhalten, die man sich überhaupt vorstellen kann«, legte jetzt Scheuringer umgehend nach. So leicht ließ er sich nicht mundtot machen …
    »Das Mädle kennt jedes Kräutlein und alle Heilpflanzen, die bei uns wachsen; außerdem weiß sie mit den ausländischen Drogen umzugehen und kennt genau ihr rechtes Mischverhältnis, um keinen Schaden anzurichten, sondern den Kranken Linderung zu verschaffen.«
    »Gerade mal dreizehn ist das damals noch ganz magere, kleine Ding gewesen, als sie meinem Ältesten den ausgekugelten Oberarm fachgerecht wieder eingerenkt hat«, fügte der andere Stadtrat zu Jodoks Verdruss hinzu.
    Der Schultheiß überlegte jetzt bereits ernstlich, sich für diesen Abend zu verabschieden. Da ging die Tür des Ratskellers auf, und ein großer, schwerer Mann mit schwarzem Umhang und breitkrempigem Schlapphut trat ein. Heimlich atmete Jodok Finsterwald auf. Den ehrenwerten Stadtpfarrer wusste er nämlich auf seiner Seite …
    »Gott zum Gruße, Hochwürden! Was führt Euch zu uns armen Sündern?«

    »Gelobt sei Jesus Christus!«, ertönte die sonore Predigerstimme von Ravensburgs oberstem Seelenhirten.
    »In Ewigkeit, Amen!«, kam es unisono von den drei Stadtvätern, und der Ortsvorsteher rückte auf der Ofenbank beiseite, um dem gewichtigen, etwas bärenhaft wirkenden Geistlichen Platz zu machen. Dieser bestellte sich ebenfalls eine Karaffe vom »guten« Roten.
    »Eine wunderbare Nachricht kann ich meinen Schäflein am nächsten Sonntag von der Kanzel kundtun. Aber, meine Söhne, Euch werde ich sie natürlich heute schon verraten!«
    Drei Augenpaare starrten Simon Auersberg voll Spannung ins glatt rasierte Gesicht.
    »Unser König Sigismund hat sich mit dem Heiligen Vater Johannes XXIII. und den beiden anderen Päpsten darauf geeinigt, auf deutschem Boden, hier ganz in der Nähe, und zwar in der Bodenseestadt Konstanz, ein allgemeines Konzil abzuhalten! Und zwar noch in diesem Jahr! Es soll der Christenheit nach jahrelanger Unsicherheit und großem Chaos endlich den ersehnten Frieden bringen.«
    Triumphierend blickte der Pfarrer sich um. Die drei Zuhörer am Tisch sowie der Gastwirt, der soeben mit der Weinkaraffe herbeitrat, waren in der Tat beeindruckt. Das war allerdings eine Sensation! Nach langen Jahren bestand die Aussicht auf ein Ende des unsäglichen »Großen Schismas«, dieser schädlichen Spaltung der Kirche.
    Zugleich würde man den Unsitten, die seit Jahrzehnten bei Volk und Klerus gleichermaßen eingerissen waren, dem Verlust von Anstand und Moral sowie der Aufweichung der Gebote der Sittlichkeit endlich
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