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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman
Autoren: Karla Weigand
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mit einer unheilbaren Magenkrankheit in der Krankenstube des Klosters lag, hatte Magdalena gestern unumstößliche Gewissheit gebracht.
    Als sie sich über die schwer atmende, auf ihrem Strohsack nach Luft ringende Alte beugte und ihr etliche Tropfen eines selbst gefertigten Rindenauszugs aus Silberweide gegen die Schmerzen der Krebserkrankung in den zahnlosen Mund träufelte, sah das Bettelweib sie mit großen Augen an und sagte, nachdem sie ein paar Mal Atem geschöpft hatte, unter Kichern zu ihr:
    »Liebe Schwester, vergebt mir meine Neugier! Sollte Euch etwa der Heilige Geist überschattet haben, wie es weiland der Jungfrau Maria widerfuhr? Aber vielleicht war es auch bloß einer der strammen Klosterknechte – oder gar Euer Beichtvater, hihi?«
    »Woher weißt du …?«, stammelte Magdalena, der das Blut in die Wangen schoss.

    »Eure Augen, Kindchen, Eure Augen sagen mir das«, murmelte die Sterbenskranke, und Magdalena war heilfroh, dass die Betten rechts und links der alten Frau leer waren. Es musste ja nicht jeder hören.
    »Ich bin keine Nonne«, rechtfertigte sie sich gleich darauf hastig. »Ich bin einem ehrenwerten jungen Mann versprochen und bleibe nur bis zur Hochzeit im Kloster.«
    »Ja, ja, Schätzchen«, kam es von den ausgedörrten Lippen der Bettlerin.
    »Ich glaub’s Euch ja. Aber es spielt eh keine Rolle: Der liebe Gott freut sich bekanntlich über jedes Kindchen.«
    Magdalena war sich da zwar nicht so sicher, aber das war im Augenblick ihre geringste Sorge: Sie stellte sich unwillkürlich die übergroße Freude Georg Scheitlins vor – bis ihr sein überraschendes Hinscheiden wieder einfiel und dass noch eine ganze Weile für sie nichts mehr so sein würde wie zuvor. Bittere Tränen benetzten ihr Gesicht.
    Die todkranke Alte, die wie alle Bewohner des Klosters über ihren Verlust Bescheid wusste, tröstete sie: »Die Leut’ im Himmel wissen genau, was mit ihren Lieben drunten auf der Erde vorgeht«, behauptete sie fest. »Auch Euer Vater, liebe Schwester, nimmt Teil an Eurem Mutterglück.«
     
    Als Magdalena, die inzwischen ihr Ziel erreicht hatte, die auf der Seeseite in die Klostermauer eingelassene Pforte hinter sich schloss, hörte sie schon von weitem den lieblichen Gesang der Nonnen. Die abendliche Andacht in der Kapelle hatte vor einiger Zeit begonnen, und sie hatte sich – wieder einmal – verspätet.

KAPITEL 2
    »AAH!« JODOK FINSTERWALD, der Ortsvorsteher von Ravensburg, setzte den Pokal mit Rotwein ab und leckte sich genüsslich die Lippen. »Ein selten gutes Tröpfchen! Dieser Rote braucht wahrlich den Vergleich mit dem, den die Mönche vom Kloster Weingarten keltern, nicht zu scheuen. Zum Wohle, meine Herren!«
    Erneut griff er nach dem geschliffenen Glas mit dem eingeätzten Motiv des Stadtwappens und dem breiten Goldrand, das nur für ihn reserviert war, erhob es und ließ den funkelnden Inhalt darin kreisen, ehe er es wieder zum Munde führte.
    »Auf Euer Wohl, Schultheiß!«, rief ihm Burkhard Scheuringer, der älteste Ratsherr der Stadt, zu. Auch Karl Meusle, der sein Nuppenglas mit breitem Fuß beinahe liebevoll betrachtete, ehe er vorsichtig daran nippte, beeilte sich ebenfalls, auf die Gesundheit Herrn Jodoks zu trinken.
    Eine Weile saßen die drei Herren andächtig am runden Tisch im Ratskeller, wo sich die Stadtväter der Reichsstadt nach des Tages Mühen gern zum abendlichen Umtrunk trafen. Die drei waren die Ersten; nach und nach würden an diesem Abend des 22. April auch noch andere eintreffen, »um sich den Aktenstaub aus den Kehlen zu spülen«, ehe jeder zum Nachtmahl nach Hause ging.
    »Bin ja gespannt, wie sich der Mauritz als wohlbestallter Stadtapotheker anstellen wird«, begann alsbald Karl Meusle und schaute die anderen zwei direkt an. Scheuringer begann heftig zu blinzeln, sagte aber kein Wort, sondern wandte sich Jodok Finsterwald zu. Der Schultheiß war es schließlich gewesen, der sofort sein Einverständnis erteilt hatte, dass Georg Scheitlins älterer Bruder das renommierte Unternehmen
in Besitz nahm. Obwohl dieser Aktion – wie die ganze Stadt wusste – der ausdrückliche Wunsch des Verstorbenen entgegenstand!
    Jodok zuckte nicht mit der Wimper. »Ich weiß, dass die meisten der Stadträte eigentlich dagegen waren. Aber was bleibt uns anderes übrig? Das Mädle ist knapp achtzehn und viel zu unverständig, um das höchst verantwortungsvolle Amt eines Stadtapothekers zu übernehmen. Schließlich hat man es als solcher auch mit Giften aller Art zu
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