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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
Autoren: Peter Schaar
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einen zügigen Austausch der Melderegisterdaten des inzwischen umgezogenen Täters verhindert habe. Der Landesdatenschutzbeauftragte Andreas Schurig konnte diesen Vorwurf indes schnell entkräften. Er wies darauf hin, dass die Polizei in Sachsen zu Ermittlungszwecken jederzeit auf die Melderegisterdaten der Gemeinden zugreifen kann. In Dresden konnte sie dies sogar online, also nach eigenem Ermessen ohne ein Mitspracherecht des Einwohnermeldeamtes. Schließlich gab auch der Landespolizeipräsident das Ergebnis der internen Untersuchung bekannt, die den Datenschutzbeauftragten bestätigte: Die Abfrage im Polizeicomputer unter dem Suchbegriff »Sexualstraftaten« habe Fälle aus den Jahren vor 2002 nicht erfasst. Es war also eine Panne, durch die die Ermittlungen erschwert und verzögert wurden, und keinesfalls »überzogener Datenschutz«.
    Die Konsequenzen einer solch verkürzten Sichtweise sind in den USA zu besichtigen, wo die Namen und Anschriften von Sexualstraftätern ins Internet gestellt werden. Nichts deutet darauf hin, dass die Internetveröffentlichung Straftaten verhindert hat. Andererseits sind mehrere an den »Internet-Pranger« gestellte Männer Mordanschlägen zum Opfer gefallen. Auch in Deutschland meinen manche Politiker, ihr Profil durch solche Forderungen schärfen zu können, die unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen widersprechen. Sie ignorieren dabei auch die Konsequenzen, die sich aus der öffentlichen Bloßstellung ergeben. Derartige Methoden widersprechen nicht nur einer freiheitlichen Gesellschafts- und Rechtsordnung, sie würden unser Leben auch unsicherer machen. Wenn den Tätern die Möglichkeit der Resozialisierung genommen wird, könnten sich die von ihnen ausgehenden Gefahren vergrößern. Wir sollten uns deshalb nicht auf diesen Holzweg zurück ins Mittelalter begeben.
    Die Vorstellung hält sich hartnäckig, der Datenschutz behindere die Kriminalitätsbekämpfung und trage so zu gestiegener Gefährdung bei. Umfragen zeigen zum Beispiel, dass die Meinung vorherrscht, Sexualmorde an Kindern hätten in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. Ein Blick in die Kriminalstatistik widerlegt diese Einschätzung. Tatsächlich haben Sexualmorde an Kindern nämlich abgenommen, wie sich etwa in den von der Bundesregierung vorgelegten »Periodischen Sicherheitsberichten« 10 nachlesen lässt. Zudem war die Kriminalität auch in den meisten anderen Deliktsbereichen in den letzten Jahren rückläufig, während die Aufklärungsquote gestiegen ist.
    Im Herbst 2006 veröffentlichte die Bürgerrechtsorganisation Privacy International 11 eine internationale Hitliste hinsichtlich des Datenschutzes. Deutschland nimmt dabei noch den Spitzenplatz ein, gefolgt von Kanada. Schlecht schneiden hingegen die USA, Großbritannien und Russland ab. Sollte die These stimmen, dass der Datenschutz die Kriminalitätsbekämpfung behindert, müsste das Ranking eigentlich umgekehrt sein. Wenn man denn schon einen Zusammenhang zwischen Datenschutz und Kriminalität feststellen will, dann spricht vieles dafür, dass in Staaten, in denen der Datenschutz hochgehalten wird, wie etwa in Deutschland oder in Kanada, die Kriminalität deutlich geringer ist als in solchen, in denen gesetzliche Datenschutzvorschriften lockerer sind oder gar nicht existieren.
    Diese These wird auch durch eine Anfang 2007 veröffentlichte Studie bestätigt, die das Gallup-Institut in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht im Auftrag der Europäischen Union durchgeführt hat. In diesem »European Crime and Safety Survey« 12 kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Kriminalität in Großbritannien und Nordirland im europäischen Vergleich am höchsten ist. »Englands Hauptstadt« – so interpretierte die Neue Zürcher Zeitung die Forschungsergebnisse – »ist mit der höchsten Kriminalitätsrate die gefährlichste Stadt Europas.« 13 Wenn man bedenkt, dass London die wohl am lückenlosesten videoüberwachte europäische Großstadt ist (vgl. 2.5), muss der Erfolg derartiger Maßnahmen – entgegen regierungsamtlichen Verlautbarungen – doch etwas bezweifelt werden.

1.4 Schatten der Vergangenheit
     
    Das gute Abschneiden Deutschlands in der erwähnten internationalen Vergleichsstudie von Privacy International 14 ist vielleicht auch darauf zurückzuführen, dass hierzulande die Erinnerung an gleich zwei totalitäre Überwachungsstaaten – an das Nazi-Regime und an
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