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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot
Autoren: Lester del Rey
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ganze Stadt davon wußte.
    Das machte Boyd zu schaffen, wie fast alles im Zusammenhang mit dem Kreuzzug. Es war fast, als hätte Stephan erwartet, Boyd heute abend hier zu treffen, und daher keine Notwendigkeit gesehen, noch länger zu bleiben. Doch das mußte andere Gründe gehabt haben – Boyds Zukunft war alles andere als sicher gewesen. Doch irgendwo in seinem Verstand war Boyd sicher, daß da ein Zusammenhang bestand.
    Sie konnten das Zelt sehen, das der Mann für private Zwecke aufgebaut hatte, und drängten sich in dessen Richtung, mit den Ellbogen stoßend und schiebend und immer darauf bedacht, einander nicht zu verlieren. Boyd kümmerte sich kaum um die Arme, die ihn anrempelten, oder die Beine, die sich ihm in den Weg stellten, er sah nur das Zelt vor sich und drängte darauf zu, bis der größte Teil der Menge hinter ihnen lag.
    Vor dem Zelt war ein freies Gelände, das durch eine dünne Kordel abgegrenzt wurde. Es schien unfaßbar, daß sie dem Druck dieser Menschenmasse widerstehen konnte, doch es gab Legenden, nach denen jenen, die diese Absperrung durchbrachen, Übles widerfahren konnte – Legenden, die wahrscheinlich vorsätzlich von dem Blinden Stephan in Umlauf gebracht worden waren, da man von ihm sagte, er habe einen Widerwillen gegen allzu viele Leute, die sich zu dicht um ihn drängten.
    Boyd half Ellen unter der Absperrung hindurch und ging mit ihr über den freien Platz; irgendwie war er sich dessen sicher, daß dies bei ihm seine Richtigkeit hatte. Die Menge stöhnte laut auf und deutete auf sie. Doch dann wurde sie von einem Laut aus dem Zeltinneren zum Schweigen gebracht.
    Es klang wie ein lautstarker Freudenschrei. Stephans Stimme schwoll an und wogte über sie hinweg wie eine Orgel, auch ohne die Mikrophone, die seine Stimme verstärkten.
    „Sieh diesen, Joshua, einen Mann, in welchem der alte Geist lebendig ist, und lege deine Hand auf ihn. Du sollst deine Flamme über ihm leuchten lassen, auf daß die gesamte Versammlung ihm gehorsam sei.“
    Der Zelteingang wurde zur Seite geschlagen, und der Mann kam herausmarschiert, er tastete nicht einmal mit seinem Stock herum. Er sah aus wie ein älterer David, gegürtet für den Krieg, und er kam direkt auf Boyd und Ellen zu. Er legte eine Hand auf Boyds Schulter.
    „Joshua ist unter uns“, rief er. „Beugt eure Knie und schwört ihm alle Gehorsam mit mir zusammen, denn er wird zum Ruhme führen.“
    Das war nicht gerade der glücklichste Befehl, dachte Boyd bei sich. Die Menge, zumindest diejenigen ganz vorn, bemühten sich zwar, dem Befehl direkt Folge zu leisten, doch reichte der Raum bei weitem nicht aus, um die Knie zu beugen. Außerdem war das wirklich nicht das, worauf er übertriebenen Wert gelegt hätte.
    Doch diese Gedanken vergaß er rasch wieder, als Stephan seine Hand hielt und diejenige Ellens in seine Linke nahm. „Guten Abend, Boyd“, sagte der alte Mann. „Ich habe Sie und Ihre Lady erwartet. Ist sie hübsch?“
    „Sie ist wunderschön, Vater“, versicherte Boyd ihm. Sie war beim Anblick Stephans erstarrt – ihre alte Furcht vor Priestern –, doch bei seiner ersten Berührung hatte sie sich wieder entspannt. Nun lächelte sie. „Aber vielleicht hätten Sie mich nicht vor Ihrer Zuschauerschaft ehren sollen, da wir noch nicht unsere Zustimmung gegeben haben, mit Ihnen zu kommen. Es gibt da gewisse Bedingungen.“
    „Ich hatte schon vorher all Ihren Bedingungen nachgegeben“, erinnerte Stephan ihn. Dann lächelte er, und sein Gesicht wurde feierlich wie das eines Kindes, das ein Geheimnis bis zum letzten Augenblick bewahrt hat und nun mit der Sprache herausrückt. „Ihr beide wollt unverzüglich heiraten. Ich habe bereits alle Vorbereitungen getroffen.“
    Ellen schluckte überrascht, ein Ausdruck des Entsetzens erschien in ihren Zügen. Als ob er dies wahrgenommen hätte, schüttelte Stephan sanft den Kopf. „Ihr Freund Ben ist bereits hier und erwartet Sie. Durch ihn habe ich von eurem Wunsch erfahren.“ Er deutete zum Zelt. „Er ist dort drinnen. Vater Muller hat sich bereits vor zwei Wochen dem Kreuzzug angeschlossen.“
    Boyd grunzte überrascht. Und doch hätte er es wissen sollen. Ben war ein Zyniker gewesen, doch er hatte sich überzeugen lassen. Und ein reformierter Zyniker ergibt den besten Missionar. Er wollte zum Zelt gehen, doch Stephans Hand auf seiner Schulter hielt ihn zurück.
    „Die Hochzeit wird warten müssen bis nach der Ansprache. Ich habe die Menge bereits zu lange warten lassen, als ich
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