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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus
Autoren: Alexander Borell
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ist, vielleicht vor anderthalb Jahren, sehen wir jedesmal, daß die Fensterläden geschlossen sind. Wir dachten, es stehe vielleicht leer, und man könne es mieten. Als wir heute vorbeifuhren, sagte Cornelia: >Du, Hans, halt doch mal, schauen wir uns das Haus doch mal näher an.< Ich war schon drüber hinaus, fuhr zurück, bog von der Landstraße in den Waldweg ein und fuhr bis vor das Haus. Dort...«
    Die Zigarre war schon wieder ausgegangen. Der Polizist sagte:
    »Vorhin haben Sie gesagt, Sie seien auf den Vorplatz gefahren. Stand denn das Tor offen?«
    »Ja, es stand offen. Ich fuhr durch, bis dicht vor das Haus. Wir stiegen aus, gingen ein paarmal ums Haus herum, und da bemerkten wir, daß ausgerechnet diesmal die Fensterläden nicht geschlossen waren.«
    »Und da haben Sie keinen Menschen gesehen?«
    »Keinen einzigen. Natürlich dachten wir, daß es doch bewohnt sein müsse, aber weil wir nun schon mal da waren, wollten wir mit dem Besitzer sprechen.«
    »Wir fanden die Tür offen und...«
    »Haben Sie nicht geklingelt?«
    »Es ist nichts zum Klingeln da. Nur ein Türklopfer. Natürlich haben wir ein paarmal geklopft.«
    »Und als sich niemand rührte, sind Sie einfach eingedrungen?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Was heißt eingedrungen? Wie gesagt, die Tür war nicht verschlossen, und da sind wir hineingegangen. Das Ganze ist uns schon sonderbar vorgekommen, aber ich habe dann ein paarmal >Hallo< gerufen. Schließlich wollten wir ja weder einbrechen noch stehlen.«
    Ich hatte das Gefühl, als höre er mir gar nicht zu. In seinen dicken Fingern drehte er meinen und Cornelias Führerschein hin und her.
    »Ich höre«, sagte er ohne aufzublicken.
    »Da haben wir den Mann im Lehnstuhl entdeckt. Wir erschraken fürchterlich, dachten, er sei tot, aber offenbar war er es nicht. Er sagte etwas, fiel vornüber, und dann wollten wir davonlaufen. Im gleichen Augenblick hörte ich draußen meinen Wagen, ich rannte vors Haus, aber da war er schon weg. Das ist alles.«
    Der Wachtmeister legte unsere Führerscheine vor sich auf die Barriere. Er war zwischen fünfzig und sechzig Jahre alt, sein Gesicht war braun wie eine Kartoffel und voller Falten. Er stand auf.
    »Na schön«, sagte er. »Schauen wir einmal nach. Diebstahlanzeige wegen Ihres Wagens können Sie ja später machen.«
    Ich deutete auf das Telefon.
    »Rufen Sie doch sofort die Kripo an. Und geben Sie die Beschreibung und die Nummer meines Wagens durch. Jede verlorene Minute vergrößert den Vorsprung des Mörders.«
    »Des Mörders?« fragte er und zog die buschigen Augenbrauen hoch. »Welches Mörders?«
    »Des Mannes, der den anderen umgebracht hat.«
    Er schüttelte mitleidig den Kopf.
    »Also, Herr... «, ein Blick auf meinen Führerschein, »... Herr Brenthuisen — das müssen Sie schon mir überlassen, was ich tue oder nicht tue. Was, meinen Sie, wird mir die Kripo erzählen, wenn das alles nicht stimmt?«
    »Es stimmt aber!« rief Cornelia. »Ich war doch dabei, es ist Wort für Wort alles wahr!«
    »Haben Sie den Kfz-Schein von Ihrem Wagen?«
    »Nein, der liegt im Handschuhkasten.«
    »Immer der gleiche Blödsinn«, murrte er. Dann griff er zu seinem Koppel mit der Dienstpistole, ging zur Tür ins Nebenzimmer und rief: »Lehner — ich bin gleich wieder da. Geh du inzwischen ans Telefon, und wenn einer fragt, sagst du, daß ich Ermittlungen anstelle.«
    Wir verließen die Wache, stiegen draußen in einen Polizei-VW und fuhren los.
    »Wem gehört denn das Haus?« fragte ich unterwegs.
    »Keine Ahnung«, sagte der Polizist. »Wir haben bisher mit diesem Haus noch nichts zu tun gehabt.«
    »Aber Sie wissen, daß es immer leer steht, daß die Fensterläden immer geschlossen sind?«
    Er zog es vor, nicht zu antworten.

    Zehn Minuten später bogen wir von der Landstraße ab, fuhren den Waldweg entlang zum Haus, und da sah ich es schon rot durch die Fichtenhecke leuchten.
    Der Wachtmeister hielt genau neben meinem Coupé, stieg aus und deutete auf den Wagen:
    »Ein Glas-Sportcoupé, Herr Brenthuisen. Ist das Ihrer?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Aha«, sagte der Polizist drohend. Dann stapfte er ums Haus herum, wir folgten ihm wie begossene Pudel. Er klopfte an die Haustür, und ich war schon darauf gefaßt, einen freundlichen alten Herrn oder eine elegante Dame öffnen zu sehen. Aber nichts dergleichen geschah.
    Die Tür war außerdem verschlossen, und als wir durch einen Spalt des Vorhangs durchs Fenster spähten, lag auch kein toter Mann vor dem
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