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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus
Autoren: Alexander Borell
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Lehnstuhl.
    »Na also«, sagte der Wachtmeister. »Sind Sie jetzt zufrieden?«
    Ich merkte es Cornelia an, daß sie von dieser beinahe gemütlichen Frage genauso überrascht war wie ich. Unsicher sagte ich:
    »Zufrieden? Hier ist irgendwas im Gang, Herr Wachtmeister. Man hatte unser Auto gestohlen, im Haus war ein Toter, oder vielmehr einer, der vor unseren Augen starb, und jetzt ist die Leiche verschwunden. Es muß etwas unternommen werden.«
    Er zog eine Schachtel Stumpen aus der Tasche, zündete sich in aller Ruhe einen an, wobei ihm drei Streichhölzer in den dicken Fingern abbrachen, und dann sagte er, während seine kleinen braunen Augen zwischen Cornelia und mir hin und her gingen:
    »Sie sind doch der Zeitungsschreiber, der neulich diesen schönen Artikel in der Abendzeitung veröffentlicht hat: Ist unsere Landpolizei geistig überfordert ? Das sind Sie doch, oder?«
    »J-ja«, gab ich zögernd zu. »Den habe ich allerdings geschrieben, aber ich meinte damit ein ganz spezielles Gebiet, ich bezog mich hauptsächlich auf den Fall Grüner und...«
    »Der Artikel war ja ganz gut. Sollen die hohen Herren in der Verwaltung ruhig mal merken, was wir alles um die Ohren haben, und außerdem sind wir auch nur Menschen. Aber jetzt haben Sie doch Ihren Spaß gehabt, Sie können schreiben, daß man einen dummen Polizisten mit den blödsinnigsten Behauptungen in der Gegend herumhetzen kann — also können wir jetzt wohl wieder fahren.«
    Es gelang uns nicht, ihn zu bewegen, irgendein Wort von dem zu glauben, was wir ihm erzählt hatten.
    »Da steht Ihr Auto«, sagte er schließlich. »Sie können losfahren. Ich werde auch fahren. Meine Dienststelle braucht mich, sonst schreiben Sie morgen: Hat die Landpolizei zuviel Zeit? Auf Wiedersehen, Herr Brenthuisen.«
    Er stieg in seinen grün-weißen Polizei-VW.
    »Herr Wachtmeister, sagen Sie mir wenigstens, wem dieses Haus gehört.«
    »Weil Sie es mieten wollen? Einer Frau Anna Hilbinger, sie wohnt drüben im Dorf.«
    Er gab Gas, wendete, und ließ Cornelia und mich allein. Wir schauten uns an.
    »Nelly — haben wir das alles geträumt?«
    Sie schüttelte nur den Kopf.
    Ich ging nochmals um das Haus herum. Es war alles so wie vorhin, nur war die Haustür wirklich verschlossen.
    Wir setzten uns auf die Bank, die zur Gartenseite hin vor dem Haus stand. Ich sagte:
    »Ein Mensch ist vor unseren Augen gestorben. Ein anderer Mensch muß, als wir kamen, im Haus gewesen sein, und während wir in die Diele gingen, muß er das Haus durch die Hintertür neben der Küche verlassen haben. Er hat unser Auto genommen, ist damit weggefahren, und während wir zu Fuß ins Dorf rannten, ist er wiedergekommen, hat unser Auto zurückgebracht und ist mit der Leiche auf und davon. Was schließt du daraus?«
    Cornelia half mir seit zwei Jahren, nicht nur Ordnung in mein Junggesellenleben und meine Wäscheschublade zu bringen, sie half mir auch bei meiner Arbeit, wenn es galt, Gerichts- oder Kriminalartikel zu schreiben. Sie zog ihre hübsche Stupsnase kraus, was sie immer tat, wenn sie nachdachte, dann sagte sie:
    »Draußen auf der Straßenseite ist doch eine Garage.«
    »Ja.«
    »Dort drin war der Wagen. Unserer stand vor der Tür, deswegen konnte die betreffende Person nicht mit ihrem eigenen Wagen weg. Also nahm sie unseren, aber sie fuhr nicht weit. Nur so weit, daß sie sehen konnte, wie wir ins Dorf gelaufen sind. Dann kam sie mit unserem Auto zurück — es steht doch jetzt neben der Garagentür —, holte den Toten und verschwand mit ihrem eigenen Auto.«
    »Möglich. Demnach muß es ein Mann gewesen sein.«
    »Warum?«
    »Hast du ihn dir genau angeschaut?«
    »Nein, es war — so gräßlich.«
    »Aber ich. Der Mann wog mindestens zwei Zentner. Eine Frau hätte ihn nicht ums Haus herum zur Garage schleppen können, ohne daß hier im Kies die Schleifspuren zu sehen wären.«
    Plötzlich kam mir ein Gedanke. Ich holte meinen Dietrich aus dem Werkzeugkasten im Auto. Die Haustür hatte nur ein einfaches Schloß. Ich bekam es nach einer Minute auf.
    Die hellen Steinfliesen der Diele zeigten neben dem Lehnsessel deutlich zwei schwarze Striche, die von Gummiabsätzen stammen mußten. Sie führten zu einer Tür, von dort aus in die Küche und zu einer zweiten Tür, und als wir diese öffneten, standen wir in der Garage.
    »So«, sagte ich. »Jetzt reicht’s mir. Fahren wir nun zum Baden und vergessen alles, oder fahren wir in die Stadt und sagen dem Inspektor Bescheid?«
    »Baden«, sagte Cornelia.
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