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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus
Autoren: Alexander Borell
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der Chefwagen. Er stand seit Samstag auf dem Innenhof, weil der Inhaber der Firma, ein gewisser Walther Möhnert, am Samstag in Urlaub nach Spanien gefahren ist. Der Pförtner gibt an, der Wagen hätte am Dienstagmorgen noch dagestanden, nach der Mittagspause aber sei er verschwunden gewesen. Dei
    Portier habe angenommen, einer der Werkfahrer habe ihn zur Inspektion oder zum Waschen gebracht, und deshalb habe er nicht sofort etwas unternommen. Erst bei Arbeitsschluß, also gegen siebzehn Uhr, habe er sich bei den beiden Fahrern nach dem Wagen erkundigt und zu seiner Überraschung erfahren, daß keiner der beiden den Wagen weggeholt hatte. Da rief er die Funkstreife an und meldete den Wagen als gestohlen.«
    »Mahlzeit«, sagte ich. »Nun können Sie herausfinden, ob der Tote selber den Wagen geklaut hat, oder der Mann, oder die Frau, die bei ihm war.«
    Wendlandt hatte mir nur mit halben Ohr zugehört. Er telefonierte schon wieder, diesmal mit der Vermißtenabteilung, und fragte, ob jemand als vermißt gemeldet worden sei, auf den die Beschreibung des Toten passe. Man versprach, ihn bald wieder anzurufen.
    Wir gingen ins Haus zurück, und da entdeckte ich etwas Neues, Rätselhaftes.
    »Herr Inspektor! Da — auf dem Boden, da waren die Schleifspuren. Zwei schwarze Striche, ganz deutlich, wie sie von Gummiabsätzen entstehen. Cornelia hat sie auch gesehen. Jetzt sind sie fort!«
    Er bückte sich wortlos, zog ein weißes Tempotaschentuch aus der Tasche und fuhr damit leicht über den Fliesenboden. Es war nicht die geringste Spur von Staub daran.
    Er wischte in einer anderen Ecke der Diele, und das Tuch zeigte deutliche Schmutzspuren.
    »Aufgewischt«, nickte er. »Offenbar wußte die betreffende Person genau von diesen Schleifspuren, aber sie wußte nicht, daß Sie sie gesehen hatten. Wem gehört das Haus?«
    »Einer Frau Anna Hilbinger. Sie hat einen kleinen Bauernhof drüben im Dorf. Ich war bei ihr, aber sie war nicht sehr gesprächig. Genauer gesagt: sie hat mich einfach stehen lassen.«
    Wendlandt winkte einem der Polizisten.
    »Fahren Sie ins Dorf und holen Sie Frau Hilbinger her. Bitte rasch.« Er wandte sich an meinen Polizeifreund aus dem Dorf. »Wer ist diese Anna Hilbinger? Wieso gehört ihr dieses Haus, und warum wird es nicht bewohnt? Hatte sie es vermietet?«
    Der Wachtmeister warf mir einen giftigen Blick zu, als sei ich schuld daran, daß er nun etwas tun mußte, dann sagte er:
    »Die Hilbinger ist eine harmlose Frau, ein bißchen schrullig vielleicht, aber nicht verrückt, wie manche im Dorf behaupten.
    Woher sie das Haus hat, und warum sie es nicht vermieten wollte — da fragen Sie sie am besten selber. Für uns lag nie ein Grund vor, sie danach zu fragen.«
    Wendlandt wandte sich an mich.
    »Wie verliefen die Schleifspuren? Können Sie mir das genau beschreiben?«
    »Ganz genau. Sie führten von hier zu der Tür dort.« Wir gingen zu der Tür und öffneten sie. »Dann sah ich sie etwa hier, sie zogen sich den kleinen Korridor entlang bis zur Küche.« Wir öffneten die Küchentür und blieben wie erstarrt stehen.
    Auf dem Boden, direkt neben dem Küchentisch, lag eine verkrümmte Frauengestalt.
    Es gehörte nicht viel Erfahrung dazu, um festzustellen, daß diese Frau tot war.
    Wendlandt schaute mich fragend an.
    Ich nickte.
    »Es ist Anna Hilbinger, Inspektor.«

2

    Es war eine hübsche, moderne Schleiflackküche mit allem Komfort: Elektroherd, Kühlschrank und Geschirrspülmaschine. Das einzige, breite Fenster führte nach Westen, zum Wald und zur Landstraße hin. Vor dem Fenster standen die Polizeiwagen.
    Inspektor Wendlandt stand in der Tür. Er war einen halben Kopf kleiner als ich, so daß ich ihm über die Schulter schauen und die Tote sehen konnte.
    Wendlandt drehte sich um und gab einem Landpolizisten einen Wink.
    »Verständigen Sie den zuständigen Leichenbeschauer. Und einen Krankenwagen.« Sein Blick streifte mich. »Schauen Sie doch mal nach, Brenthuisen, ob Sie irgendwo ein paar alte Zeitungen finden.«
    Ich stöberte in der Diele herum, suchte im Wohnzimmer, das im Landhausstil eingerichtet war, aber nirgends fand ich auch nur eine einzige Zeitung.
    Erst unten, im Heizungskeller, entdeckte ich einen Stoß. Die einzelnen Blätter waren vergilbt, staubig, und das Datum sieben Jahre alt.
    Ich trug einen Stapel hinauf. Wendlandt breitete sie auf dem Linoleumboden aus, um Fußspuren nicht zu verwischen, und ging zu der Toten. Er beugte sich zu ihr nieder, faßte behutsam ihre Hand an, hob
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