Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling

Titel: Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
Autoren: Max Frei
Vom Netzwerk:
Seelenleben stand ihm wie eine Schlagzeile vor Augen.
    »Ich versetze mich allmählich in meine Rolle«, brachte ich heraus. »Darf ein Barbar aus der Provinz etwa nicht aufgeregt sein, wenn er einen Menschen trifft, der das ganze Leben lang von Seiner Majestät Schläge ins Genick bekommen hat?«
    »Schlagfertigkeit: gut. Gelehrigkeit: gut bis sehr gut. Die Provinzbarbaren, wie du sie nennst, sind arrogant, hochmütig und ungebildet und pfeifen auf unsere hauptstädtischen Taten! Intuition: ausgezeichnet! Wie hättest du sonst wissen sollen, dass Sir Makluk vom damaligen König Gurig mit der Höchsten Backpfeife ausgezeichnet wurde, nachdem er eines Tages auf seinem königlichen Schoß gelandet war?!«
    »Ehrlich gesagt, habe ich nur so dahingeredet.«
    »Das meine ich mit Intuition: einfach so zu faseln und doch ins Schwarze zu treffen!«
    »Einverstanden, ich bin ein Genie. Und obendrein - laut der Biografie, die Sie sich für mich ausgedacht haben - ein Barbar, der ernsthaft vorhat, in Echo rasch Karriere zu machen, und sich deswegen von seinen hochmütigen, aber ungebildeten Landsleuten unterscheiden muss. Wenn die gespielte Arroganz zerbricht, erscheint darunter gewöhnlich Schüchternheit. Das weiß ich, weil ich auch so bin. Nehmen Sie Ihr »gut bis sehr gut< vielleicht zurück?«
    »Einverstanden. Das »gut« nehme ich zurück, aber das »sehr gut« lasse ich dir. Und ich verkneife mir Empfehlungen - du weißt selbst, was du zu tun hast. Schließlich bist du kein Kind mehr.«
    Wir gingen durch unsere Obstwiese und gelangten durch eine Seitenpforte in den Nachbargarten. An der prächtig verzierten Eingangstür vermeldete ein Schild: »Hier wohnt Sir Makluk. Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht verlaufen haben?« Ich kicherte verlegen, weil ich davon keineswegs überzeugt war. Aber der Glaube von Sir Juffin reichte locker für zwei.
    Die Tür öffnete sich geräuschlos. Vier gleichermaßen grau gekleidete Diener grüßten uns im Chor. Ein professionelles Quartett, kann ich nur sagen!
    Dann begann, wozu ich mich noch nicht bereit fühlte. Juffin meinte übrigens, niemand sei je so weit, einen Empfang bei Makluk zu überstehen - außer routinierten Salonlöwen, den wichtigsten und dabei nutzlosesten Wesen dieser Welt.
    Ein paar robuste Jungs mit zwei Sänften kamen bedrohlich nah an uns heran. Gleichzeitig überreichten uns die Diener einige bunte Fetzen. Ich wusste mir keinen anderen Rat, als Juffin anzuschauen und ihm alles nachzumachen.
    Zuerst nahm ich meinen dicken Mantel ab, ohne den ich mich nackt fühlte, weil mir das dünne Unterkleid, das meinem Körper eng anlag, für Treffen mit anderen Leuten damals noch nicht recht geeignet schien. Dann schaute ich mir genau an, was ich da bekommen hatte. Wieder hatte ich mich getäuscht: Es handelte sich bei den farbenfrohen Stoffstücken nicht um Lumpen, sondern um einen großen Halbmond mit riesigen aufgesetzten Taschen, dessen innerer Rand mit einer langen Kette kleiner Ringe bestückt war. Wieder musste ich Sir Juffin anstarren. Lässig nahm mein sonderbarer Cicerone durchs Labyrinth der Höflichkeit seinen Halbmond und streifte ihn über. Innerlich zitternd tat ich es ihm nach. Die Dienerbande blieb gelassen.
    Kaum standen wir so herausgeputzt da, beugten sich die trampeligen Sänftenträger vor uns nieder. Sir Juffin stieg geradezu graziös in seine Sänfte. Nachdem ich mich innerlich bekreuzigt hatte, tat ich es ihm einmal mehr nach. Eine Weile ging es durch leere Korridore, die breit wie Straßen waren. Sir Makluks Haus beeindruckte mich sehr. Von außen wirkte es wie ein ganz normales Häuschen, aber von innen ...
    Endlich erreichten wir einen großen Saal, der ebenso karg möbliert war wie das einzige mir bekannte Haus in Echo. Damit allerdings endete die Ähnlichkeit mit der Wohnung von Sir Juffin. Hier sah ich etwas anderes als den mir vertrauten Esstisch mit seinen gemütlichen Stühlen.
    Ein schmaler Tisch mit einem Springbrunnen in der Mitte zog sich durch das ganze Zimmer. Rund um den Tisch befand sich ein Kranz niedriger Podien. Auf einem davon stand eine den unseren ähnliche Sänfte, aus der ein munterer, grauhaariger Alter schaute, der gar nicht wie ein Adliger aussah: unser Gastgeber Sir Makluk. Als er mich erblickte, legte er die Hand an die Brauen und rief: »Du bist es wirklich!«
    Ich erwiderte seinen Gruß auf gleiche Weise. Das hatte ich schließlich lange genug geübt. Der Alte streckte Sir Juffin die Hand entgegen. Seine Bewegungen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher